: Seeschlacht an der Rethe-Brücke
Greenpeace verhindert das Löschen von genmanipulierten US-Mais im Hamburger Hafen trotz heftigen Polizeieinsatzes ■ Von Gernot Knödler
Thomas Reinecke hat gerade noch mal Glück gehabt. Pumpend wie ein Maikäfer sitzt der Kameramann auf dem Dach des Green-peace-Schiffes Beluga unter der Rethe-Hubbrücke. Reinicke filmte gestern früh auf einem der Poller, zwischen denen die Greenpeace-Leute ein Transparent spannen wollten, um eine Schiffsladung Genmais aufzuhalten – die neue US-Ernte. Ein Boot der Wasserschutzpolizei habe das noch nicht ganz befestigte Stahlseil mit einem Ruck weggezogen, erzählt Reinecke. Nur mit einem Hüpfer konnten der Kameramann und ein Greenpeace-Aktivist verhindern, von einer Stahlschlinge ins Wasser geschleudert zu werden. „Das war 'ne richtige Schlacht“, sagt der Kameramann.
Die Besatzung der Beluga sieht von den dramatischen Ereignissen nur das Gewimmel der Schlauchboote, und sie hört den Schreckensschrei vom Poller. Seit halb zwei Uhr morgens ist die Beluga auf Reiherstieg und Rethe unterwegs. An Bord frieren auch Smudo von der HipHop-Combo „Die Fantastischen Vier“ sowie Kati und Barbara von der Berliner Popgruppe „Lemonbabies“. Kati hilft, ein Transparent an der Kabine der Beluga aufzuspannen: „Genfood – Europe says no!“
Der Frachter Unison transportiert gentechnisch belasteten Maiskleber, der in Deutschland an Rinder, Schweine und Hühner verfüttert werden soll. Nach Informationen von Greenpeace sind 38 Prozent der US-amerikanischen Maisimporte genmanipuliert. Bei Viehfutter muss darauf nicht hingewiesen werden. „Die Risiken von genmanipulierten Pflanzen sind nicht kalkulierbar, ob sie nun für Mensch oder Tier bestimmt sind“, warnt Jan van Aken von Greenpeace.
Kati ist dabei, weil sie sich von der Gentechnik in Lebensmitteln „extrem berührt“ fühlt. Die Aktion ist für sie eine Premiere. „Das ist das, was man sich als zwölfjähriges Mädchen immer gewünscht hat“, verkündet sie aus den Tiefen ihres Overalls. „Ein paar Wale“ wolle sie auch noch retten.
Als großer grauer Kasten taucht der Gen-Frachter aus der Nacht auf. Zwei Schlepper bugsieren die Unison rückwärts auf die Rethebrücke zu, zwei Polizeiboote drängen die Beluga zurück. Hinter der Brücke legt sie sich quer. Dann brüllt einer: „Drei Schäkel zu Wasser.“ Der Anker saust auf den Grund der Elbe. „Will jemand von Ihnen von Bord gehen?“, fragt Pressesprecherin Carmen Ulmen Promis und Journalisten, „wir blockieren jetzt!“ Niemand will.
Ein Polizeischiff drängt sich an die Beluga heran. Als der erste Beamte entern will, stellt sich ihm ein Greenpeacer im Pulli mit verschränkten Armen entgegen. Im Wasser drängen Greenpeace-Boote die Polizeischiffe ab, ein orangefarbenes Polizeiboot rammt seinerseits die Greenpeacer.
Der Kampf ist ungleich: Um kurz nach vier wimmelt das Deck von Polizei: zivil, im Kampfanzug, in grüner und in blauer Uniform. Die Blauen gehen besonnen zu Werke und haben zum Teil selbst keine Lust, Genfood auf den Teller zu kriegen. Die Grünen versuchen als erstes die Kabinentür einzuschlagen. „Ich will auf jeden Fall, dass gesichert ist, wer hier der Käptn ist“, sagt ein Drei-Sterne-Beamter. „Dem reißen wir den Arsch auf!“
Nach Ablauf eines Ultimatums muss die Kabinentür doch an die Macht der Brechstange glauben. Beamte nehmen die drei Aktivisten in der Kabine fest. Die übrigen UmweltschützerInnen an Bord müssen ihre Personalien feststellen lassen. Das Schiff kommt an die Kette.
Trotz der morgendlichen Ernüchterung bewerten die Greenpeacer ihre Aktion als Erfolg: Der Unison gelang es nicht, zum Kai der HaBeMa, einer Raiffeisen-Tochter, durchzudringen. Wegen des ablaufenden Wassers muss sie an einem Ausweichliegeplatz festmachen. „Lemonbaby“ Barbara ist froh, dass sie endlich von Bord kommt. Kati dagegen findet, es „war nicht ganz so aufregend, ich dachte es passiert noch mehr“.
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