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Die völkischen Seelen

Die DDR war auch eine Republik der Tut-man-nicht-Spießigkeit. Die PDS als Ostgefühlsverwalterin muss diese Erbschaft mittragen  ■   Von Jan Feddersen

Die Partei des Demokratischen Sozialismus ist vor allem ein Ausdruck ostdeutscher Minderwertigkeitsgefühle und zugleich Hoffnungsträger vieler in der DDR geborener Menschen, dass sie ihnen bei der Ankunft im Westen beistehe. Sie ist die einzige Formation, die den in der DDR aufgewachsenen Menschen ein ideologisches Nest für die verlorene Heimat, für die verlustig gegangene Übersichtlichkeit der Lebensverhältnisse gegeben hat.

Nur wenige PDS-Genossen sind echte DDR-Trauernde; Sarah Wagenknecht ist die prominenteste unter ihnen. Was aber den Mainstream eint, ist das Unbehagen an der westlichen Moderne, an der durch kein Gesetz zu revidierenden Liberalität in der Wahl von Lebensentwürfen. Obwohl die PDS inzwischen auch im Westen durch ihren rebellischen Gestus im Politischen Anhänger gewinnt, bedient sie im Osten die Ressentiments der Zukurzgekommen.

Das drückte sich nicht nur aus im Verständnis mancher Funktionäre für die Affronts in brandenburgischen Gemeinden gegen Einwanderer aus der früheren Sowjetunion. Sondern auch, beispielsweise, in der Zustimmung, die ein Intellektueller wie Heinz Engelstädter für eine Aussage erhielt, die er im September 1994 auf einer Tagung des parteinahen Bildungsvereins „Helle Panke“ machte: Zu überwinden seien „verständliche Berührungsängste mit dem Ethnischen, dem Nationalen oder auch dem Rassischen“.

Nicht verwunderlich ist in diesem Zusammenhang, dass viele Wähler der vergangenen Landtagswahlen im Osten direkt von einer rechtsradikalen Partei zur PDS wechselten – und diese wieder schmähten, sobald sie sich zu sehr auf die Geschäftsläufe des bundesdeutschen Staates einließ.

Denn dieser wird als großkapitalistische Maschinerie wahrgenommen, als ausbeuterisch, als Lokomotive der „immer brutaleren Amerikanisierung“. An dieser Stelle haben manche PDS-Genossen und Rechtsradikale ein gemeinsames Scharnier: Sie verbindet eine national-sozialistische Weltanschauung – was nicht im Gegensatz stehen muss zur internationalistischen Rhetorik (und Praxis) der PDS-Führung.

Denn alle ganzheitlichen Ideologien hatten gemein, den Menschen nicht sich selbst überlassen zu wollen, ihm die Richtschnur für ein richtiges Leben zu stricken: Nicht zufällig hatten beide Weltanschauungen den Anspruch, den „neuen Menschen“ hervorzubringen – durch Zwang oder durch pädagogischen Einfluss. Liberale Sichtweisen, denen zufolge der Mensch sich selbst überlassen bleiben möge und sich seine Vorstellung vom guten Leben selbst bilden solle, haben sowohl der Faschismus als auch der Kommunismus krass abgelehnt. Und Antikapitalismus ist keine Domäne der Linken; auch die frühen Nationalsozialisten waren gegen das (in ihren Augen: jüdische) Großkapital. Beide waren Lobbyisten gegen die Globalisierung avant la lettre.

Was das Menschenbild betrifft: Am Wochenende, beim Kleinen Parteirat der PDS in Berlin, profilierte sich ein Hamburger PDS-Genosse mit dem Satz, die Partei müsse doch den Menschen sagen, wie sie leben sollten, und dürfe sie nicht allein lassen. Da war sie wieder: die gartenzwerglerische Mentalität, den Leuten auf die Sprünge zu helfen, wenn sie nicht so sind, wie sie sein sollen.Trotzdem ist die PDS weit davon entfernt, eine rechte Partei zu sein oder zu werden, also den gleichen Weg zu gehen wie die KP Russlands: Die von Lothar Bisky angeführte Partei ist die einzige, die nennenswerten antirassistischen Protest in Ostdeutschland zu organisieren fähig ist – und es auch tut.

Es ist zu beobachten, dass mit Hilfe der demokratischen Führung um Bisky und Gregor Gysi die eigene Anhängerschaft mit Protest gegen den Westen für den Westen und seine antireligiöse Staatsauffassung gewonnen wird. Diese Mixtur ist dafür verantwortlich, dass rechte Parteiformationen in Ostdeutschland zwar gelegentlich ins Parlament kommen, aber über keinen Einfluss verfügen. Selbst ihre Wähler interessieren sich nicht für sie, weil sie nur die Träger ihres Protestes waren.

Insofern ist es ein nötiger pädagogischer Prozess, den die PDS im besten Sinn anleitet: das früher beherrschte Volk aus dem Nest zu treiben, um es an die Buntheit aller Lebensmöglichkeiten (und -unmöglichkeiten) zu gewöhnen. Dass dabei auch völkische Bewusstseinsformen diskutiert werden, ist nötig. So oder so: Gut, dass sie sich dort artikulieren können.

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