: Verschwitzte Trikots als Kapitalanlage
■ Sotheby's und Christie's in London versteigern jetzt auch Fußball-Devotionalien
London (taz) – Den neuesten Tip in Sachen Geldanlage steckte die Zeitung The Observer ihren Lesern bereits im vergangenen Mai: „Besorgen Sie sich das Trikot eines verschwitzten Fußballstars, halten Sie es von der Waschmaschine fern, und warten Sie: Ihr Geld vermehrt sich von alleine.“ Am Dienstag wurde die These bestätigt. Sotheby's, das älteste und neben Christie's berühmteste Auktionshaus der Welt, veranstaltete in seiner Londoner Zentrale eine Versteigerung von Fußball-Erinnerungsstücken.
7.000 Mark erzielte das Jersey, das Englands Wunderkind Michael Owen bei der WM 98 trug. Die Witwe des uruguayischen Spielers Schubert Gambetta kassierte gar 40.000 Mark für die 1950er-Weltmeister-Medaille ihres Mannes. Eine Ausgabe der Zeitung La Tribune de Genève vom 1. August 1930, die über die Ausschreitungen argentinischer Hooligans nach dem WM-Finale berichtete, brachte 620 Mark – 120 mehr als ein Trainingsleibchen der DFB-Elf mit Autogrammen der Weltmeister von 1990.
Dass eine Institution wie Sotheby's den Fußball als ernsthaften Teil des Kunsthandels begreift, verdeutlicht, welch kuriosen gesellschaftlichen Aufstieg der Sport in den 90er-Jahren genommen hat. Der Handel mit Memorabilia schien für Flohmärkte bestimmt, ehe Sotheby's 1998 erstmals zu einer Fußball-Auktion einlud.
Auch Christie's hat Fußball im Programm und hat bei einer einzigen Versteigerung 1,5 Millionen Mark umgesetzt. „Es reicht den Leuten offenbar nicht mehr, nur ins Stadion zu gehen“, sagt Graham Budd, Sotheby's Fußballexperte, „sie müssen immer neue Wege finden, sich mit dem Spiel zu beschäftigen.“ Budd fährt regelmäßig zu so genannten Schätztagen durchs Land, an denen er in einem Klubheim sitzt, während hunderte von Fans Kisten voll mit altem Football-Stuff anschleppen und schätzen lassen. Im Ausland wüssten viele Fußballfans vermutlich gar nicht, „dass sie auf ihrem Dachboden oder im Keller ein kleines Vermögen abgestellt haben“, sagt Budd. Sein Kollege David Convey von Christie's fügt aber an: „Es ist keine so gute Idee, zu glauben, es reiche, im Fanshop ein Trikot zu kaufen und von Michael Owen eine Unterschrift draufkritzeln zu lassen.“
So wie Briefmarken gestempelt sein müssen, um Sammelwert zu erlangen, muss das Shirt vom Star getragen sein. Die meisten Jerseys kommen von Wohltätigkeitsorganisationen, denen die Stars ihre Hemden stifteten. Ein ganz besonderes Trikot gelangte über den Karnevalverein Köln-Porz zu Sotheby's. „Das ist ne janz komische Geschichte“, sagt der ehemalige Verteidiger des 1. FC Köln, Wolfgang Weber: Nach dem WM-Finale 1966 tauschte er mit Gegenspieler Roger Hunt das Trikot, und weil „wir in der damaligen Zeit doch gar keine Verwendung für solche Teile hatten“, gab Weber seine ganzen Trikots einem Bekannten, der „mit seinen Freunden in Porz mit Sombreros und Fußballhemden auftrat“. Der Karneval war lustig, die Trikots am nächsten Morgen weg, und es dauerte 29 Jahre, bis Weber von einem Jersey wieder etwas hörte: „Ein Freund von einem der Sombrero-Freunde“ erzielte mit Hunts Hemd bei Sotheby's Auktion im Februar 50.000 Mark – ein Rekordpreis.
Ronald Reng
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