: Hängt ihn ab, nein, hängt ihn höher
■ John Armleder mixt Kunstgeschichte in der Galerie Anselm Dreher, das Duo Kurt & Heinz arbeitet sich im Parkhaus Treptow an ausgemusterten Polit-Ikonen des Ostens ab
Der Schlitten ist gebraucht und das Verfallsdatum auf den Campbell's-Suppendosen noch nicht abgelaufen. John Armleder legt mit seiner Installation „Don't do it!“ Spuren aus, die wie eine dreidimensionale Landkarte für die Kunst des 20. Jahrhunderts funktionieren: Vorn ein bisschen Joseph Beuys in Form eines Filzanzugs, hinten rechts ein Naturschwamm in memoriam Yves Klein und obenauf die Neonröhren von Dan Flavin. Tatsächlich hat man es mit einem Objekthaufen aus der Kunstgeschichte zu tun, die Armleder als Readymade inszeniert, das wiederum auf lauter Readymades zurückgeht. Denn was wäre Warhols Suppendosenmalerei ohne Marcel Duchamps Urinoir von 1917?
Gleichwohl ist das Arrangement einer Sperrmüllsammlung sehr ähnlich – und damit ironischer Verweis auf das Ende der Entwicklung. In der Anhäufung geht der Charme des einzelnen Objekts verloren; was bleibt, ist ein etwas abgestandenes Gemenge unter dem Sammelbegriff Moderne. Der in Paris lebende Armleder, dessen „Furniture-Sculptures“ in den Achtzigern bereits von Saatchi in London ausgestellt wurden, zieht mit seinem Statement auch einen Schlussstrich in Sachen Zitatpop: In den drei anderen Räumen der Galerie zeigt er deshalb ebenso schlichte Gemälde mit Punktmustern, die sich kaum von Tapeten unterscheiden. Trotzdem inszeniert Armleder seinen Abgesang dermaßen leichthändig und stilvoll, dass die frühere Wirkungskraft noch durchblitzt – das Objet trouvé ist zur Trashkultur geworden und damit wieder in Massenware übergegangen.
Einen Abgesang nennt auch die Galerie im Parkhaus ihre Ausstellung „Kurt & Heinz machen jeder seins“. Am Ende des Jahrhunderts sind die klaren Feindbilder verloren gegangen. Jetzt heißt es, „Kunst und Kapital vielleicht doch noch zu entzweien“. Wo Armleder auf Distanz zur Geschichte setzt, arbeiten Kurt und Heinz bewusst mit aufgeladenen Ikonen: Hier ein Hakenkreuz, da ein Stalinporträt. NVA-Soldaten verwandeln sich am Computer in Rex Gildo, ein Modell der aktuellen Diesel-Reklame wirbt für die „Klemperer-Collection“. Offenbar ist das anonym arbeitende Konzeptduo bestens am Medienapparat geschult – immerhin reicht die Karriere der beiden von der Ost-taz-Gründung bis zu Politgalaabenden in der Volksbühne. Entsprechend didaktisch sind die Abteilungen ihrer „Rocky Horror Zeichen Show“ angeordnet: Es gibt einen „Anschauungsraum“, einen „Bildwerferraum“ und „Produktion“. Dabei mischen die Erzählstränge unterschiedliche Modelle der Gesellschaftstheorie aus Ost und West. Alles beginnt mit der Umerziehung in den Fünfzigern: Schaubilder aus Schulbüchern werden zu Agitationstafeln umgerüstet. Wo früher Stalin über das Klassenzimmer wachte, hängt nun ein Porträt von Wilhelm Pieck.
Auch bei Kurt & Heinz triumphiert das Readymade. Die Vorlagen wurden nicht extra bearbeitet, das ZK hat die Umschreibung der Geschichte selbst in Auftrag gegeben und alte Helden durch neue ersetzt. Die letzte Modernisierung des Materials fand noch kurz vor der Wende statt: Plötzlich sitzen Punks in den spießigen DDR-Eissalons. Wie bei Armleder triumphiert der Zusammenbruch in der Engführung von Utopie und Scheitern. Bei Kurt & Heinz werden die Hoffnungen des Sozialismus allerdings nicht im melancholischen Blick am Ende des Jahrhunderts aufgehoben. Der Osten wuchert weiter. Harald Fricke ‚/B‘John Armleder, bis 18. 12., Di. bis Fr. 14–18.30, Sa. 11–14 Uhr, Galerie Anselm Dreher, Pfalzburger Str. 80; Kurt & Heinz, bis 18. 12., Mi.–Sa. 15–19 Uhr, Parkhaus Treptow, Puschkinallee 5
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