: Holzmann-Konzern mit neuem Chef
■ Vorstandsvorsitzender des Bauriesen tritt nach Tagung des Aufsichtsrats zurück. Sein Nachfolger kommt schon am Mittwoch. Die Aufseher bleiben im Amt
Frankfurt/Main (dpa/rtr) – Jahrelang hat der eigene Aufsichtsrat wenig von der katastrophalen Schieflage bei Deutschlands zweitgrößtem Baukonzern Philipp Holzmann gemerkt – nun geht es anscheinend härter zu bei den Aufsehern. Gestern tagte das Gremium aus Gewerkschaftern und Kapitalvertretern sieben Stunden, am Ende ging Vorstandschef Heinrich Binder: Binder sei von seinem Amt zurückgetreten, so ein Konzernsprecher. Der neue Vorstandschef wird Konrad Hinrichs. Der 62-Jährige war bis 1996 Chef des Stuttgarter Baukonzerns Züblin AG – und soll schon am kommenden Mittwoch die Nachfolge von Binder antreten. Eigentlich wollte Hinrichs nach seinem Rücktritt Hobbys wie Literatur oder Opern nachgehen. Nun gilt es, einen Baukonzern zu retten.
Bei der Suche nach Verantwortlichen für die Beinahepleite von Holzmann musste vor Binder bereits Finanzvorstand Rainer Klee seinen Hut nehmen. Binder hatte erst Ende 1997 sein Amt als Holzmann-Chef angetreten. Vor wenigen Wochen musste er überraschend von zusätzlich aufgetauchten Altlasten in Höhe von 2,4 Milliarden Mark berichten. Der zweitgrößte deutsche Baukonzern stand dicht vor der Insolvenz. Die Banken verweigerten schon die Rettung des überschuldeten Konzerns, als Bundeskanzler Gerhard Schröder seine inzwischen schon berühmte Reise nach Frankfurt antrat.
Zusammen mit einigen hundert Millionen Mark Bundesmitteln und einem höheren Angebot der kreditgebenden Banken scheint nun eine Rettung nicht mehr ausgeschlossen. Auch die Beschäftigten verzichten auf einen Teil ihres Lohns.
Die Verantwortung für die Schieflage wies Binder seinen Vorgängern zu. Diese hätten milliardenschwere Verlustrisiken verschwiegen und in den Bilanzen versteckt. Binder selbst räumte aber inzwischen ein, dass er die Verlustlöcher möglicherweise zu spät entdeckt habe. Das sah der Aufsichtsrat heute genauso.
Dem Aufsichtsgremium unter Vorsitz von Deutsche-Bank-Vorstand Carl von Boehm-Bezing wurde allerdings in den letzten Wochen ebenso Nachlässigkeit vorgeworfen: Es hätte die in den Bilanzen versteckten Verluste bemerken müssen, so die Kritik. Von den Aufsichtsräten trat jedoch gestern niemand zurück.
Die Bilanz-Sonderprüfer von Ernest & Young ließen zweifeslfrei Pflichtverletzungen früherer Vorstandsmitglieder und leitender Mitarbeiter erkennen, so der Aufsichtsrat gestern in einer Erklärung. Neben den bereits laufenden Strafanzeigen sollen deshalb auch zivilrechtliche Maßnahmen ergriffen werden. rem
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