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Der Tschetschenien-Krieg: Ein beklemmendes Déjà-vu

■ Die russische Armee wirft sogar dieselben Flugblätter auf Grosny ab wie letztes Mal

Die Ereignisse lassen keine intellektuelle Debatten mehr zu. Die russische Armee hat ein Ultimatum ausgegeben: Wer sich am 11. Dezember noch in Grosny aufhält, „gilt als Terrorist und wird vernichtet“. Es leben noch 40.000 Menschen in Grosny. Wie viele davon Banditen, wie viele Alte und Kinder sind, weiß niemand.

Die russische Armee hat es eilig: Am 11. Dezember 1994 begann der letzte Tschetschenien-Krieg, in dem Russland eine schmähliche Niederlage erlitt. Die Generäle sind entschlossen, Rache zu nehmen. Die Situation ist nicht neu: Sie werfen dieselben Flugblätter über Grosny ab, die sie auch schon während des ersten Krieges abgeworfen haben. Ich habe eines dieser Flugblätter, das ich in Bamut fand, aufgehoben: „Wenn irgend jemand in der Stadt das Feuer auf russische Soldaten eröffnet“, steht darauf, „werden wir sofort mit massiven Bomben- und Luftangriffen antworten. Euer Schicksal und das Schickal eurer Kinder liegt in euren Händen.“

Während des letzten Krieges – wie auch heute – versteckten sich zehntausende alter Menschen und Kinder in den Kellern von Grosny. Sie harrten dort aus ohne Elektrizität, ohne Heizung und ohne Essen. Währenddessen bombardierten die Russen die Stadt mit Vakuumbomben, die auf Kellerräume zielten. Sie bombardierten im vollen Bewusstsein, dass sich noch Zivilisten in den Kellern aufhielten. Meine schrecklichste Erinnerung an den Krieg ist der an ein Blindenheim. Die Menschen versuchten sich unter ihre Feldbetten zu verkriechen. Ihr Heim hatte keinen Keller. Die Straße von Grosny nach Nazran, der Hauptstadt Inguschetiens, war verstopft mit beladenen Autowracks, in denen Leichen saßen. Der einzige Ort, an dem die Situation noch schlimmer war als in Grosny, war diese Straße. Sie stand ständig unter Beschuss von allen Seiten. Deshalb bleiben heute viele in Grosny.

Nach meiner Rückkehr gab ich vor der Kommission für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die am 1. Mai 1995 Anhörungen in Tschetschenien durchführte eine Erklärung ab. Ich erzählte, was ich während des Krieges gesehen hatte: „Die Wurzeln der Krise in Tschetschenien gehen zurück bis in den September und Oktober 1993, als Boris Jelzin das russische Parlament auflöste, das Gesetz brach und einen kleinen Bürgerkrieg in Moskau auslöste. Das war der Wendepunkt, an dem die Regierenden in Russland zum ersten Mal beschlossen, eine politische Krise mit Panzern und Blutvergießen zu beenden. Aber statt von den westlichen Demokratien verurteilt zu werden, erntete Boris Jelzin begeisterte Zustimmung.

In russischen Regierungskreisen kam die Botschaft an: Gewalt wird vom Westen so lange entschuldigt, so lange der Weg ökonomischer Reformen nicht verlassen wird.“

Vergangenen Donnerstag erklärte Bill Clinton, „Russland wird einen hohen Preis bezahlen“ für seine Aktionen im Kaukasus. Diese Einsicht kommt genau sechs Jahre zu spät. Jevgenia Albats

Übersetzung: V. Weidermann ‚/B‘ Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Moscow Times

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