: Pusten für historische Chance
GAL findet Atomausstiegskurs der Bundespartei nicht so dolle, steigt aber murrend darauf ein, weil sie keine Alternative hat ■ Von Sven-Michael Veit
Begeisterung sieht anders aus. Murrend aber geschlossen akzeptierte die Mitgliederversammlung (MV) der GAL am Sonnabend im Sitzungssaal der Handwerkskammer, dass der Weg zum Atomausstieg noch ein weiter sein dürfte. Umweltsenator Alexander Porschke bemühte den Vergleich mit einem Marathon-Lauf: „Wir sind erst bei Kilometer 30; wer jetzt überhastet zum Schlussspurt ansetzt, dem wird die Puste ausgehen“, mahnte er. Ob das eine Anspielung auf das grüne Laufwunder Joschka Fischer sein sollte, ließ Porschke offen.
Auf einen eigenen Akzent zumindest wollte die GAL dennoch nicht verzichten. Die ersten Atomkraftwerke müssten noch „in dieser Legislaturperiode“ abgeschaltet werden; „eher in 15 als in 18 Jahren“ müsse der Ausstieg vollendet sein, beschloss die mit nur etwa 100 Grünen schwach besuchte MV ohne Gegenstimmen. Damit werden AKW-Gesamtlaufzeiten von weniger als 30 Jahren gefordert.
Zudem solle der Plutoniumkreislauf durch das Verbot der Wiederaufarbeitung von Brennstäben durchbrochen und Atombrennstoffe endlich wie Öl, Kohle und Gas besteuert werden. Zwischenlager, wie von den HEW für die AKWs Krümmel und Brunsbüttel beantragt, dürfe es nur geben, wenn Ausstieg und Entsorgung gesetzlich fixiert seien.
Damit wurde ein Leitantrag des Landesvorstands angenommen, der nach intensiven Beratungen mit den grünen SenatorInnen und den Energiepolitikern von Partei und Fraktion formuliert worden war. Die eigens an die heimatliche Basis geeilten bundesgrünen Spitzenfrauen, Parteisprecherin Antje Radcke und die Parlamentarische Geschäftsführerin im Bundestag, Kristin Heyne, nahmen den Beschluss mit Erleichterung auf.
Das sei ein „sehr sympathischer und konstruktiver Ansatz“, lobte Radcke, die zuvor davor gewarnt hatte, „diese historische Chance“ zu vertun. Es müsse eine „politische Lösung“ gefunden werden, die zugleich vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand habe. Die Entscheidung auf Bundesebene über ein Ausstiegsgesetz „fällt bald“, versprach sie: „Wenn wir das jetzt nicht nutzen, dann schaffen wir das vermutlich nie.“ Auch Heyne hatte für das Akzeptieren einer „juristisch sicheren Lösung“ geworben und vor grüner Selbstzerfleischung gewarnt: „Die wahren Gegner sind die AKW-Betreiber, vergesst das bitte nicht.“
Dieser Appell war durchaus notwendig. Denn nur mit knapper Mehrheit wurde ein Gegenantrag des Kreises Nord abgelehnt, der den Vollzug des Atomausstiegs bis 2008 verlangte sowie einen Sonderparteitag, der „eine verbindliche Position der Partei“ noch vor Vorlage eines Ausstiegsgesetzes in Berlin festzurren solle.
Ein „Missbilligungsantrag“ gegen die GAL-ParteichefInnen Kordula Leites und Peter Schaar wegen „zu großer Kompromissbereitschaft“ beim Ausstieg hatte danach keine Chance mehr: Bei nur zwei Ja-Stimmen wurde er von der Versammlung abgeschmettert.
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