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Der lange Marsch zum Umweltplan

Der Bundestag bringt die Regierung in einem zentralen Anliegen auf Trab: Im kommenden Jahr sollen endlich verbindliche Umweltziele festgelegt werden ■ Von Matthias Urbach

In Rio einigten sich die Regierungen der Welt, Umweltschutz, Soziales und Wirtschaft zusammenzudenken

Berlin (taz) – Schweden hat einen. Holland auch. Mexiko. Und Südkorea. Nur Deutschland, das sich so gerne als Ökovorreiter sieht, hat bislang keinen. Das soll nun anders werden. Im kommenden Frühjahr will die Bundesregierung einen Umweltplan auf den Weg bringen.

Lange schon fordern Umweltverbände, die Umweltziele so klar zu definieren, dass sich die ökologischen Erfolge Jahr für Jahr messen lassen. Doch unter der Regierung Kohl war so viel umweltpolitische Verbindlichkeit nicht gewünscht. Alles was Altumweltministerin Angela Merkel zusammenbrachte, war im April 1998 ein „umweltpolitisches Schwerpunkteprogramm“, das aber nie bis ins Kabinett gelangte – Merkel musste befürchten, dass ihre Kabinettskollegen es noch kurz vor der Wahl zerreißen würden.

Die rot-grüne Koalition vereinbarte in ihrem Vertrag, endlich einen Umweltplan zu erstellen. Doch dann hatte das Umweltministerium erst einmal alle Hände voll an der Atomfront zu tun. Die beiden Bundestagsabgeordneten Winfried Hermann (Grüne) und Marion Caspers-Merk (SPD) wollten nicht länger warten und machten mit einem Antrag Druck auf die Regierung. Darin fordern sie die Bundesregierung auf, rasch einen „Rat für nachhaltige Entwicklung“ einzusetzen und mit dessen Hilfe eine „Nationale Nachhaltigkeitsstrategie“ zu erarbeiten – was nur ein komplizierteres Wort für „Umweltplan“ ist. Im Juni bereits ging der Antrag einstimmig durch den Umweltausschuss des Bundestages, in der ersten Sitzungswoche im Januar soll er nun endgültig durchs Plenum. So macht das Parlament Rot-Grün mit den Stimmen von CDU und FDP Druck beim Einhalten des Koalitionsvertrages.

„Das hat die Regierung ein bisschen auf Trab gebracht“, räumt auch die grüne Umweltstaatssekretärin Gila Altmann ein – und scheint darüber nicht unglücklich zu sein. Weil der Umweltplan gesellschaftlich breit diskutiert werden soll, wird seine endgültige Fassung nicht vor 2001 zu verabschieden sein. Und bis 2002 braucht man erste konkrete Erfolge: Denn dann treffen sich die Regierungen der Welt zum Bilanzgipfel „10 Jahre nach dem Erdgipfel von Rio“, wo man mit so einem Plan glänzen will – und schließlich sind da auch bald Wahlen.

Tatsächlich atmet die Idee des Umweltplanes den Geist von Rio: Dort einigten sich die Regierungen der Welt auf ein neues Leitbild, bei dem Umweltschutz, Soziales und Wirtschaft stets zusammengedacht werden sollen – eine so genannte „nachhaltige Politik“. Umweltaspekte sollen in alle Politikbereiche integriert werden.

Bereits drei Dutzend Länder haben das bereits umgesetzt. Vorreiter waren vor zehn Jahren Holland und die Skandinavier. Sie legten Umweltziele wie „saubere Luft“, „halb so viel Flächenverbrauch“ oder „keine Überdüngung der Böden mehr“ mit festen Zeitvorgaben fest. Wichtig ist, dass die Verursacher mit einbezogen werden, dass alle gesellschaftlichen Gruppen mitwirken können – und dass die Einhaltung der Ziele streng überprüft wird.

Die Bundesregierung plant nun nach dem Vorbild Großbritanniens ein „Grünes Kabinett“ mit Staatssekretären aus umweltrelevanten Ressorts wie Bauen/Verkehr, Landwirtschaft, Wirtschaft, Gesundheit und natürlich dem Umweltressort. Die Federführung will das Kanzleramt übernehmen.

Außerdem soll möglichst rasch der vom Parlament geforderte „Rat für nachhaltige Entwicklung“, auch „Zukunftsrat“ genannt, eingerichtet werden. Dieses Beratungsgremium soll aus höchstens 15 Prominenten mit umweltpolitischen Sachverstand zusammengesetzt sein (siehe Interview). Der Rat soll bis 2001 seine Ergebnisse präsentieren können, die dann in die „Nachhaltigkeitsstrategie“ der Bundesregierung einfließen sollen.

Zwar nehmen die Umweltverbände die Idee des Rates wohlwollend auf, und mancher kann zu Recht hoffen, noch in dieses Gremium berufen zu werden. Doch ist die Furcht groß, dass am Ende eine Art Super-Umweltgremium entsteht, das „die Definitionsmacht darüber hat, was Umweltschutz ist“, wie ein Verbandsoberer erklärt. Tatsächlich ist es auch der Wunsch der Koalition, das Gremium mit umfangreichen Mitteln für PR auszustatten.

Noch ist die Liste nicht fertig, doch hinter den Kulissen wird bereits kräftig gerungen. Weil das Gremium klein und damit arbeitsfähig bleiben soll, gibt es schon mehr Anwärter als Plätze. Über einzelne Kandidaten liegen sich Kanzleramt, Umweltministerium und Fraktionen bereits kräftig in den Haaren. Und immer noch fragen Interessierte nach, wie sie auf die Liste kommen können.

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