: Bizarr: Auf Geldstrafe folgt Abschiebung
■ Bizarrer Prozess endet in Verurteilung wegen „Scheinehe“ / Geschlagene ghanaische Ehefrau vor der Ausweisung / Frauenhaus-Mitarbeiterinnen sind empört
Schuldig wegen Scheinehe. Das würde der Volksmund zum gestrigen Urteil im Amtsgericht sagen. Dort wurde das – mittlerweile geschiedene – Ehepaar P. wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz verurteilt. Im September 1997 soll das Paar im Ausländeramt gelogen haben, eine gemeinsame Wohnung im Buntentorsteinweg zu bewohnen – um eine Aufenthaltserlaubnis für die Frau zu beschaffen. Während des Verfahrens gab der Ehemann dazu gleich drei verschiedene Erklärungen ab. Von: „Meine Frau lebte bei mir“ bis: „Sie wollte, dass ich sage, dass wir zusammen wohnen“, war alles dabei. Der Richter folgte schließlich der belastendsten Variante und verurteilte beide zu einer Geldstrafe von 1.350 Mark.
Kurz vor dem Urteil hatte Ex-Ehemann Harald P., der keinen Anwalt hatte, noch gebeten: „Bitte verschonen sie mich von einer Haftstrafe.“ Statt Plädoyer forderte er: „Wenn, dann bestrafen sie uns beide. Sonst ist es unfair.“
Zu diesem Appell kam es nach zwei Stunden einigermaßen bizarrer Verhandlung. Dabei blieb die Angeklagte zum Lüge-Vorwurf stumm, während ihr Anwalt hervorhob, dass die Frau nach Aktenlage auch im Ausländeramt am strittigen Tag geschwiegen hatte. „Sie versteht kein deutsch“, sprang der Ehemann anfangs bei. Und: „Niemand wollte da mit meiner Frau englisch sprechen.“ Was aber die fragliche Lebensgemeinschaft betreffe: „Wenn ich geschrieben habe, dass wir zusammenleben, dann war das auch so.“ Später haspelte der offensichtlich unter Strom stehende Angeklagte: „Ich bin nach 30 Jahren Drogen jetzt clean. Aber so eine Verhandlung nimmt mich mit.“ Anhand von Meldebestätigungen hatte der Richter da bereits die erste Variante des Angeklagten vom Zusammenwohnen in Frage gestellt. Noch vor dem Prozess hatte der Angeklagte gegen die Ex-Frau geschäumt: „Sie soll bloß weg, das Vieh.“
Variante zwei hieß: „Meine Frau und ich hatten im September eine schwere Zeit; wegen der kulturellen Unterschiede und allem.“ Die Beziehung habe gekippelt – „aber wir dachten noch, meine Frau würde zu mir ziehen.“ Deshalb auch die Erklärung über das Zusammenleben beim Ausländeramt. Und deshalb auch keine Frauenkleider in seiner Wohnung – wie die Polizei ermittelte.
„Wohl nicht nur deshalb“, argwöhnen Mitarbeiterinnen eines Bremer Frauenhauses. Dort lebt die Ghanaerin, seit sie vor 18 Monaten vor ihrem damaligen Ehemann floh. Die Ehe wurde erst danach geschieden. „Bei uns kam sie blau-geschlagen an“, berichtet eine Sozialarbeiterin des Frauenhauses. Sie findet den Prozess unfair. „Er schlägt sie, aber sie muss Deutschland verlassen.“ Am Scheinehe-Vorwurf zweifelt sie, schon weil die Frau keine eigene Bleibe hatte.
Schließlich gibt der über lange Jahre drogenkranke und vorbestrafte Ex-Ehemann eine dritte Variante zum Besten: „Meine Frau hat gebettelt, ich soll das unterschreiben.“ Geld habe sie ihm dafür geboten. Die Frau spricht nur außerhalb des Gerichtssaals: „Er ist krank. Er hat mir oft gesagt, dass er mich meldet, damit ich weg muss aus Deutschland.“
Dazu könnte es – ohne eine zweite Instanz – schnell kommen. Ihre Aufenthaltserlaubnis lief gestern aus. Die Hoffnung auf ein eigenes Bleiberecht zerschlug das Verwaltungsgericht: Nur die Ehe, nicht aber die eheliche Gemeinschaft habe dafür lange genug gehalten, hieß es.
ede
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