: Schön bunt muss es sein
Der weltweite Handel mit tropischen Fischen bedroht die Vielfalt der Korallenriffe. Rettung für die Unterwasserwelt könnten neue Aufzuchtmethoden bringen. Der Handel könnte dann auf Zuchttiere umsteigen ■ Von Haye Tollef
Welchen Fisch hätten Sie denn gern? Ob Falter- oder Kaiserfische, Schmetterlings- oder Kofferfische, giftige Rotfeuerfische, seltene Seepferdchen oder gar räuberische Haie: in jeder Größe und aus den entlegensten Gegenden der Welt sind heute Zierfische für das Seewasseraquarium bei Zoohändlern zu bekommen. Zu fast 100 Prozent werden dabei Wildtiere gehandelt. Erst langsam entwickeln sich Alternativen. Der Forschergruppe um Joan Holt am Meeresinstitut der Universität Texas ist es jetzt gelungen, einige empfindliche Korallenfische mit besonderer Planktonnahrung zu züchten. Die Forscher hoffen, dass ihre Ergebnisse dazu beitragen, dass der Handel auf Zuchttiere umsteigt.
Seit den 80er-Jahren erfreut sich die Seewasseraquaristik zunehmender Beliebtheit. Durch Verwendung von besseren Salzen für das künstliche Meerwasser, neuen Methoden zur Wassersäuberung und zur Instandhaltung gelingt das Halten von Meerwassertieren selbst ungeübten Neulingen. Die Becken werden dann mit so genannten „Lebenden Steinen“, Meeresalgen und bunten Fischen besetzt. Am begehrtesten sind die besonders farbigen Korallenfische.
In Amerika werden jährlich rund 100 Millionen Dollar mit Aquarienfischen umgesetzt, hierzulande erwirtschaftet der Handel geschätzte 10 bis 20 Millionen Mark. Also fangen Einheimische in den tropischen Gewässern die bunten Korallenfische mit Netzen, Reusen oder Betäubungsmitteln. Insbesondere das billige Natriumcyanid – verdünnte Blausäure – wird von den Tauchern zum Sammeln eingesetzt. Dabei werden nicht nur viele Fische getötet. Auch die Korallenstöcke und andere Riffbewohner werden durch das Gift geschädigt. 30 bis 50 Prozent der gefangenen Fische sterben zudem in den ersten Wochen an der schleichenden Vergiftung.
Über Zwischenhändler, sogenannte Transshippers, werden die Sammelbestellungen der Zoohändler importiert. Per Luftfracht werden die Fischboxen je nach Art mit Stückzahlen von bis zu 500 Fischen in alle Welt vertrieben. Verdient der Exporteur nur 20 Pfennig pro Anemonenfisch, steigert sich der Preis durch die Importeure und Frachtkosten auf 10 bis 15 Mark im Zoohandel.
Genaue Angaben über die Menge eingeführter Zierfische sind kaum zu finden. Wöchentlich werden in der EU allein zirka 45.000 Anemonenfische und Chromis-Riffbarsche importiert, schätzt Robert Brons vom holländischen Großhändler DeJong. Selbst beim Bundesamt für Naturschutz oder Amt für fachgerechten Natur- und Artenschutz liegen keine genaue Daten vor, da diese Tiere nicht erfasst werden müssen.
Dabei war Deutschland einmal Vorreiter in der Kennzeichnung und im Schutz von Korallenfischen. Für acht Jahre unterlagen Kaiser- und Falterfische strengen Einfuhrbestimmungen. Was zuerst bei deutschen Aquarianern dazu führte, dass seltenere Fische eben in der Schweiz oder in Holland eingekauft wurden, führte letztendlich auch zum Ende des Gesetzes: Aus Wettbewerbsgründen war das nationale Gesetz angeblich nicht mehr tauglich.
Seit Juni 1997 gilt nun die EU-Rechtslage, wonach – bis auf den Stör, einige Schneckenarten, Riesenmuscheln, Steinkorallen und einige wenige andere Exoten aus der Washingtoner Artenliste – kein tropischer Fisch vor umfangreichem Handel geschützt ist. Die Steinkorallen sind mittlerweile bei den Malediven und Seychellen fast verschwunden. Und es ist nur eine Frage der Zeit, wann die majestätischen Preußenfische, putzigen Seepferdchen und regenbogenfarbenen Drückerfische aussterben werden.
Je seltener ein Fisch nämlich ist, desto mehr reizt er manche Hobbyisten zu einem Versuch im heimischen Aquarium. So kursieren Gerüchte von Auftragsjägern, die nach Australien oder auf die Fidschi-Inseln fliegen, für Kunden, die bereit sind, tausende Mark für seltene Tiefwasser-Kaiserfische oder Leopardendrückerfische zu bezahlen. Fairerweise muss man den deutschen Aquarianern aber ein gehobenes Umweltbewusstsein attestieren. Im Gegensatz nämlich zu Nordamerika wird einiges zur Aufklärung geleistet. Viele Hobbyaquarianer haben sich notgedrungen um die Nachzucht von zum Beispiel Steinkorallen verdient gemacht, da diese heutzutage nicht mehr importiert werden dürfen. Und auch die Zoohändler handeln vermehrt mit Fischen aus Fangstationen ohne Cyanid oder bieten Fische aus Nachzuchten an.
„Wir haben die Nachzucht erst für 17 Fischarten erfolgreich praktizieren können, es gibt aber über 1.000 Korallenfischarten“, bemerkt dazu Jürgen Lange vom Zoo Berlin. Das mit 250 verschiedenen Arten größte Aquarium Deutschlands ist Vorreiter in der Seewasseraquaristik und züchtet rund 1.000 Anemonenfische jährlich, ist allerdings eher für seine weltweit einmalige Quallenaufzucht bekannt. Auch das Karlsruher Aquarium versorgt Aquariumbesitzer jährlich mit 40 bis 50 Fischen aus seiner Seepferdchenzucht. Die Seepferdchen, zumindest die trächtigen Männchen, sind mittlerweile auf den Philippinen unter Schutz gestellt, da 20 Millionen jährlich für die Heilmittelindustrie gefangen wurden, was weltweites Aufsehen erregte. Für viele Tropenfische ist aber ein Schutz nicht in Aussicht. Die Nachzucht scheint der einzige Ausweg zu sein.
Genau darauf gründet Joan Holt ihre Hoffnungen. Sie hat die Ernährungsgewohnheiten von tropischen Fischlarven untersucht und fand in zwei Copepodenarten (mikroskopisch kleinen Krebsen) eine geeignete Nahrung für die Aufzucht. Dadurch konnte sie Korallenfischeier mit erhöhter Überlebensrate ausbrüten.
Ob dies für die begehrten Kaiserfische auch anwendbar ist, bedarf weiterer Anstrengungen. Denn die Aufzucht von Korallenfischen gilt als äußerst schwierig: Die Larven wechseln die Nahrungsgewohnheiten je nach Alter, angefangen von Einzellern und Wimperntierchen über kleine Rädertierchen hin zu mittelgroßen Kleinkrebsen. Manche Jungtiere bevorzugen zudem nur sich bewegendes Plankton und keine auf den Boden fallende Planktontiere. Auch die speziellen Futtermixturen der Händler helfen da nicht weiter. Und dazu kommen die nicht immer bekannten komplizierten Paarungsgewohnheiten, wobei manche in Einehe leben, andere wiederum in Haremsrudeln.
„Verantwortungsbewusste Zoohändler sollten auf die Nachzuchten hinweisen. Auch der Verbraucher ist hier gefragt: er sollte die an Gefangenschaft besser angepassten Fische wählen“, unterstreicht Karl-Heinz Tschiesche vom Meeresmuseum in Stralsund. Ein gut gemeinter und lohnender Tipp für den ansonsten immer fürsorglichen Aquarianer, können doch Anemonenfische über 10, Kaiserfische über 20 und Zylinderseerosen sogar über 100 Jahre alt werden. Bei richtiger Auswahl bleibt dann auch alles schön bunt.
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