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Nur das Europäische Parlament ist eindeutig

EU: Die Gleichstellung Homosexueller ist uneinheitlich. Neues Urteil zu Sorgerecht

Ähnlich wie in den USA wird auch in Europa seit langem um die Gleichstellung von Lesben und Schwulen gerungen. Gestern nun entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, dass homosexuelle Väter und Mütter bei Sorgerechtsfragen nicht benachteiligt werden dürfen.

Konkret ging es um den Fall des 38-jährigen Portugiesen Joao Manuel Salgueiro da Silva Mouta. Ihm war nach der Scheidung das Sorgerecht für seine Tochter entzogen worden, weil er nun in einer homosexuellen Beziehung lebte. In der Begründung hieß es, das Kind solle in einer „traditionellen portugiesischen Familie leben“ und nicht „im Schatten einer abnormalen Situation aufwachsen“.

Der Straßburger Gerichtshof hat nun entschieden, dass dieses Urteil eine unzulässige Diskriminierung im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention darstellt. Diese Entscheidung setzt europaweite Standards. Eine offene Diskriminierung von homosexuellen Elternteilen ist künftig nicht mehr möglich.

Während die homosexuellenfeindliche Rechtsprechung in Portugal von Straßburg aus gestoppt werden musste, sieht der Blick in einige der anderen europäischen Länder erfreulicher aus. In Dänemark gibt es das „Lov om registreret partnerskab“, das eine Gleichstellung homosexueller Lebensgemeinschaften mit heterosexuellen garantiert. Seit zehn Jahren dürfen sich schwule und lesbische Paare dort beim Standesamt eintragen. In den 90er-Jahren folgten Norwegen, Schweden und die Niederlande dem dänischen Vorbild.

Diesen Sommer verabschiedete auch Frankreich ein Gesetz zur Gleichstellung, den „Zivilen Solidarpakt“ . Danach sind nicht eheliche Lebensgemeinschaften, wenn sie einen „Solidarpakt“ bei der Behörde schließen, der Ehe in einigen Punkten gleichgestellt. Allerdings enthält das Gesetz, und das kritisieren Frankreichs Homossexuelle, viele Kann-Bestimmungen, etwa beim Bleiberecht für ausländliche Lebenspartner.

Einen weiteren Schritt in Richtung Gleichberechtigung machte auch Großbritannien in diesem Monat. Dort wurden nun zwei britische Schwule als alleinige Eltern von Zwillingen anerkannt.

Ein Problem der eingetragenen Lebensgemeinschaften in den skandinavischen Ländern und den Niederlanden ist der Grenzübertritt. Wenn ein lesbisches Paar aus den Niederlanden nach Belgien zieht, dann verliert es seine gesetzliche Anerkennung. Ähnliche Mobilitätsbeschränkungen sieht Klaus Jetz, Sprecher der Lesbisch Schwulen Vereinigung Deutschlands, auf die Homosexuellen in Vermont zukommen. Die Gleichstellungsentscheidung des US-Gerichts gelte nur für diesen einen Staat.

In Europa sollte es allerdings anders laufen als in Übersee. Denn das Europaparlament hat bereits 1998 unzweideutig dazu aufgefordert, „die Nichtzulassung von homosexuellen Paaren zur Eheschließung“ zu beseitigen. Eine einheitliche Anerkennung der Ehe von Homosexuellen in Europa steht allerdings aus.

Eines der Länder, die noch keine Fortschritte in Richung Gleichstellung gemacht haben, ist Deutschland. Hier warten Schwule und Lesben noch immer auf die Umsetzung des von Rot-Grün versprochenen Gesetz zur so genannten eingetragenen Partnerschaft für Homo-Paare. Justizministerin Herta Däubler-Gemelin (SPD) hatte versprochen, einen Entwurf bis zum Herbst vorzulegen. Mit dem heutigen Tag beginnt allerdings der Winter. Deshalb wollen Schwule und Lesben ihr heute in Berlin Postkarten übergeben mit der Botschaft: „Wort halten“. Auch Volker Beck, rechtspolischer Sprecher der Grünen im Bundestag, hofft auf eine baldige Vorlage des Gesetzes. Für die deutsche Debatte sieht er die Entscheidung in Vermont als „ermutigendes Signal“. Isabelle Siemes

Christian Rath

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