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Streit um Bremer Jugendvollzug

■ Anstaltsbeirat übt harte Kritik an Zuständen im Jugendknast / Justizstaatsrat: Die Kritik sei „besserwisserisch“ und „nutzlos“

„Besserwisserisch, profilierungssüchtig, nutzlos“ – mit diesen scharfen Worten kommentierte jetzt Justiz-Staatsrat Ulrich Mäurer eine Presseerklärung des Beirats der Justizvollzugsanstalt Blockland. Darin hatte der ehrenamtliche Beirat anlässlich seines jetzt vorgelegten Tätigkeitsberichtes festgestellt, „dass insbesondere im Bereich der Jugendanstalt Blockland die gesetzgeberischen Vorgaben nicht eingehalten werden.“ Weiter heißt es: „Ein Konzept für die Gestaltung des Jugendvollzugs liegt nicht vor, von Erziehungsvollzug kann keine Rede sein.“ Auch vermisse man „den Willen der politisch Verantwortlichen für die Ausgestaltung eines zeitgemäßen Jugendvollzugs.“

Aus Sicht des Justizstaatsrats hat der Beirat, der als ehrenamtlicher Vertreter der Öffentlichkeit bei der Gestaltung des Justizvollzugs beraten und unterstützen soll, zu solchen Äußerungen „kein Mandat“. „Selbstverständlich sorgen wir dafür, dass der gesetzliche Auftrag des Jugendstrafvollzugs in Bremen erfüllt wird.“ Auch sei die JVA Blockland vor zwei Jahren mit Millionenaufwand saniert worden. Statt den Senator zu unterstützen, sei der Beirat „mit falschen Analysen und absurden Forderungen“ an die Öffentlichkeit getreten. „Offenbar glaubt der Beirat, er müsse seine eigenen politischen Überzeugungen zum Strafvollzug realisieren.“ Der vom Beirat erhobene Vorwurf des „Verwahrvollzugs“ sei „ein Schlag ins Gesicht des engagierten und qualifizierten Personals“, so Mäurer.

Der Personalrat scheint mit dem Staatsrat nicht ganz einig. „In großen Teilen“, so gestern das Personalratsmitglied Reiner Knöpfle vom Blockland gegenüber der taz, träfen die Einschätzungen des Beirats zu. Im Detail äußerte Knöpfle sich nicht, weil in der vorangegangenen Personalratssitzung Stillschweigen vereinbart worden war. Nur so viel: Mäurer werde noch eine Stellungnahme des Personalrats erhalten – „über die wir lange diskutiert haben.“

Tatsächlich sind die Personalräte der JVA Oslebshausen und Blockland insbesondere angesichts weiterer Sparvorgaben für den kommenden Haushalt alarmiert. Die Belastung des Vollzugsdienstes äußere sich in überdurchschnittlich hohem Krankenstand. Außerdem seien 20 von 240 Beschäftigten laut Amtsarzt „vollzugsdienstuntauglich“. Bis sie in andere Bereiche im öffentlichen Dienst übernommen seien, vergingen in der Regel fast zwei Jahre. Auch die Leiterinnen der Anstalten hatten die Personalsituation bei der letzten öffentlichen Sitzung des Rechtsausschusses als schwierig bewertet. So soll in der JVA Oslebshausen der Gruppenvollzug künftig mit sieben statt wie bisher mit acht Personen bewältigt werden; schon jetzt seien es manchmal nur sechs Bedienstete. Für den Erwachsenenvollzug sagte Ines Kalisch: „Wer nicht arbeitet, geht jetzt unter Verschluss.“ Auch die Leiterin der JVA Blockland befürchtete eine „dramatische“ Entwicklung. Sie betonte, dass viel Personal mit Kontrollen gebunden sei, nachdem im Sommer eine Insassin an einer Überdosis Methadon starb. „Das heißt, Betreuung wird weniger.“ Allerdings schränkte sie ein: Auch mit den drohenden Abstrichen werde es „noch keinen Abschied vom Betreuungsvollzug“ geben.

Der Personalrat blockiert unterdessen einen Dienstplan, wonach Jugendliche an Wochenenden künftig ab 19 Uhr in die Zellen eingeschlossen werden sollen. Schon vor knapp zwei Jahren war die Einschlusszeit für Jugendliche von 21 auf 20 Uhr gesenkt worden. ede

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