Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen: Hat der Herrsechs Richtige?
Das dritte Gebot ist ein besonders raffinierter Schachzug der Kirche: „Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen, denn der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht.“ In einer anderen Version des Gebots ist die Rede von „Nichtigem“, mit dem man den Herrn nicht belästigen soll, und da wird der Gedanke, der hinter dem Verbot steckt, deutlich.
Was ist nichtig? Materielle Dinge zum Beispiel. Gottesfürchtige Menschen dürfen nicht für einen hoch dotierten Job, eine kleine Ölquelle im Garten oder den Sieg von „Fury“ beim Galopprennen beten. Natürlich könnte Er, wenn Er wollte, dem Gläubigen zu einem Lottogewinn verhelfen. Bittet man Ihn jedoch darum, hat man automatisch gegen das dritte Gebot verstoßen, und dann wird aus dem Geldsegen nichts.
So kann Gott beziehungsweise seine Filiale auf Erden nie etwas falsch machen, Zweifel an der Existenz einer höheren Macht – und an der Stellung der Kirche – werden so im Keim erstickt. Die Menschheit soll ein gottesfürchtiges Leben führen, die Autorität der Vertreter vor Ort anerkennen und für deren angemessenen Lebensunterhalt sorgen. Als Belohnung darf man sich auf das Jenseits freuen, wo alles besser wird, solange man nicht versucht, an den Zuständen im Diesseits zu rütteln.
Weil die katholische Kirche aber weiß, dass sie den Menschen ihre heimlichen Wünsche nicht austreiben kann, hat sie einen Trick ersonnen: Man muss Gott nicht direkt um etwas bitten, sondern kann einen Heiligen als Vermittler einschalten. Es gibt Heilige für alle Lebenslagen, der eine ist für Augenleiden zuständig, der andere für verlorene Gegenstände und der nächste für Führerscheinprüfungen. Die irischen Zeitungen sind voller Kleinanzeigen, in denen irgendein Heiliger angefleht wird.
Und Gott lässt sich überlisten: In einer Annonce bittet jemand Jesus, einen Herzenswunsch in sein eigenes Herz aufzunehmen, so dass Gott glaubt, er tut Seinem Sohn einen Gefallen: „In Seinen gnädigen Augen ist es dann dein Wunsch, nicht meiner.“ Wenn es funktioniert, muss man zum Dank den Vollzug per Annonce vermelden. So sind die Kleinanzeigenteile voller Erfolgsmeldungen.
Aber auch hier hat sich die Kirche gegen Fehlschläge und Zweifler gewappnet, denn jeder Wunsch muss mit den Worten enden: „Nicht mein Wille, sondern Dein Wille geschehe.“ Wenn es nicht klappt, hat es bestimmt einen Sinn, auch wenn wir ihn nicht verstehen, denn es gibt ja noch das schlagende Argument: „Gottes Wege sind unergründbar.“
Doch zurück zum dritten Gebot. Es ist ein vernünftiges Gebot, denn es steckt eine nützliche Lehre darin, wenn man es zeitgemäßer formuliert: „Hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner – und schon gar nicht Gott.“ Ralf Sotscheck
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