: Ein Militärputsch im Namen der Demokratie
Die Elfenbeinküste galt als das stabilste Land Westafrikas. Nun hat die Armee Präsident Bédié gestürzt ■ Von Dominic Johnson
Ohne Widerstand und unter der Zustimmung des größten Teils der Bevölkerung ist zu Weihnachten das scheinbar stabilste politische System Westafrikas zusammengebrochen. Die Armee der Elfenbeinküste hat Präsident Henri Konan Bédié gestürzt und ihren Exkommandeur Robert Guei an die Spitze einer Junta gestellt. Guei kündigte an, eine neue Regierung zu bilden und das Land zu freien Wahlen zu führen.
Begonnen hatte der Putsch ganz unscheinbar. Donnerstagmittag gingen in der Hauptstadt Abidjan unzufriedene Soldaten, die soeben vom Dienst in der UN-Blauhelmmission in der Zentralafrikanischen Republik zurückgekehrt waren, auf die Straße und forderten ihren ausstehenden Sold. Dass es um mehr ging, wurde schnell klar, als die Protestierenden den staatlichen Fernsehsender besetzten und später auch den Flughafen.
Freitagmittag trat dann General Guei, der nach eigenen Angaben von den Soldaten völlig unvorbereitet direkt von seinem Bauernhof geholt worden war, vor die Mikrofone, nannte sich „Sprecher meiner jungen Waffenbrüder“ und sagte: „Von diesem Augenblick an ist Henri Konan Bédié nicht mehr Präsident der Republik.“
Die Rede wurde am Freitagabend im Fernsehen wiederholt, mit der Bildlegende: „General Robert Guei, Präsident der Republik“.
Der neue Machthaber verkündete die Auflösung aller verfassungsmäßigen Institutionen und die Einsetzung eines „Nationalen Wohlfahrtsausschusses“. Dieser solle „in den kommenden Tagen breite Beratungen aufnehmen, um zu versuchen, eine Regierung zu bilden“. Es gilt als wahrscheinlich, dass das Militär versuchen wird, eine Allparteienregierung auf die Beine zu stellen, die eine faire Vorbereitung der im Oktober 2000 anstehenden Präsidentschaftswahlen garantiert. Darin wäre sowohl die bisher allein regierende PDCI (Demokratische Partei der Elfenbeinküste) wie auch die beiden großen Oppositionsparteien FPI (Ivorische Volksfront) und RDR (Sammlung der Republikaner) vertreten.
Zu diesem Zweck will Guei mit FPI-Führer Laurent Gbagbo und mit RDR-Führer Alassane Ouattara sprechen. Letzterer hält sich im Pariser Exil auf. Die Weigerung der gestürzten Regierung, Ouattaras Kandidatur zu den Präsidentschaftswahlen zu ermöglichen, da er angeblich kein Einheimischer sei, hatte die Elfenbeinküste in den letzten Monaten in die schwerste politische Krise seit der Unabhängigkeit geführt. Immer mehr Politiker gewannen die Überzeugung, dass mit Bédié an der Spitze des Staates faire Wahlen nicht möglich seien.
Die Putschisten befreiten die Führung der RDR, die seit Oktober im Zentralgefängnis von Abidjan sitzt. Verhaftet wurden hingegen einige der engsten Vertrauten des Präsidenten, so Innenminister Emile Constant Bombet und PDCI-Generalsekretär Laurent Dona Fologo.
Falls es Widerstand in der PDCI gegen den Putsch gab, so ist dieser schnell zusammengebrochen. Am Samstagabend sicherte sogar Fologo öffentlich den neuen Machthabern seine Zusammenarbeit zu. Der abgesetzte Bédié, der am Freitag zunächst in die Residenz des französischen Botschafters floh und sich dann unter die Obhut der französischen Soldaten am Flughafen begab, hatte zuvor zum „Widerstand“ gegen den „grotesken“ Putsch aufgerufen. Aber alle politischen und militärischen Kräfte des Landes unterstützen jetzt das neue Regime.
Zunächst einmal steht Guei nun vor der Aufgabe, die Ordnung im Land zu wahren. Der Putsch ist offenbar von radikalen Anhängern der Opposition etwas zu freudig begrüßt worden. Nachdem es in Abidjan zu Ausschreitungen plündernder Jugendlicher gekommen war, verhängte General Guei eine nächtliche Ausgangssperre und erteilte zu deren Kontrolle der Armee einen Schießbefehl.
Die Reaktionen des Auslands kann Guei indes nicht kontrollieren. Die UNO, Frankreich, Südafrika und Nigeria – nicht aber die USA – haben den Putsch verurteilt. Frankreich unterhält am Flughafen von Abidjan eine ständige Militärbasis mit 570 Soldaten; ein Militärabkommen von 1962 erlaubt Frankreich, auf Anforderung zur Wahrung der inneren Ordnung in der Elfenbeinküste militärisch einzugreifen. In der Praxis erscheint dies heute angesichts der eindeutigen Kräfteverhältnisse im Land kaum denkbar.
Frankreich hat jedoch sein Kontingent in Abidjan um 40 Mann verstärkt und weitere 300 Soldaten nach Senegal in Marsch gesetzt, um auf eine Evakuierung der über 20.000 Franzosen in der Elfenbeinküste vorbereitet zu sein. Zunächst flogen die Franzosen gestern Bédié nach Togo aus.
Debatte Seite 12
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