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Grosny im Würgegriff Russlands

■ Die russische Armee hat mit ihrem Angriff auf die Hauptstadt Tschetscheniens begonnen. Prorussische Tschetschenen werden als Kanonenfutter eingesetzt

Moskau (taz) – Die seit Wochen angekündigte „Operation zur Säuberung Grosnys“ ist seit Sonnabendmorgen in vollem Gang. Tausende von russischen Elitesoldaten sind am Vormarsch auf die in Trümmern liegende tschetschenische Hauptstadt beteiligt. Die Vorhut stellen prorussische tschetschenische Milizen, deren Aufgabe es ist, Stellungen und Befestigungen der islamistischen Rebellen ausfindig zu machen und im Bedarfsfall als Kanonenfutter zu dienen. Gestern Abend meldete die russische Agentur Interfax, die prorussischen Milizen hätten bereits das Stadtzentrum erreicht. Offensichtlich leisten die Freischärler nur noch an strategisch wichtigen Stellen starken Widerstand.

Tschetscheniens Präsident Maschadow hatte zuvor bereits alle Rebellen aufgefordert, in die Berge im Süden des Landes auszuweichen. Zwischen zweitausend und fünftausend Freischärler werden noch in der seit Wochen belagerten Hauptstadt vermutet. Nun scheint auch in der tschetschenischen Führung die Einsicht zu reifen, dass sich Grosny nicht lange gegen die Übermacht der russischen Armee halten lässt.

Westliche Beobachter vor Ort waren überrascht, die Armee mit ungewohnter Vorsicht vorrücken zu sehen. Sobald Einheiten auf einen nennenswerten Widerstand stießen, hätten sie sich aus den Gefechtshandlungen zurückgezogen. Die russische Taktik, erläuterte ein Sprecher des Innenministeriums, sei es, ein Maximum der tschetschenischen Stellungen aufzuspüren und sie anschließend zu zerstören.

Aus Furcht davor, dass die in die Enge getriebenen Rebellen chemische Kampfstoffe einsetzen könnten, ließ die Armeeführung Gasmasken verteilen. Auch die Tschetschenen warfen den Russen mehrfach vor, mit chemischen Waffen operiert zu haben. Die russische Generalität möchte Grosny, das Symbol des unbeugsamen kaukasischen Widerstands, noch vor der Jahreswende einnehmen. Die Armee kann sich bis heute auf den Rückhalt in der Bevölkerung stützen – nicht zuletzt, weil die Heeresleitung die wirklichen Verluste verheimlicht. Ein Offizier der Eliteeinheiten, der die Offensive wegen des drohenden Blutzolls „eine schlechte Entscheidung“ nannte, gehört zu den einsamen Rufern in der Wüste.Klaus-Helge Donath

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