: Polizei warnt Linke vor Nazi-Briefbomben
Göttinger PDS-Bundestagsabgeordnete und Autonome könnten Ziel von Briefbombenanschlägen der Rechten werden. LKA fand Sprengstoff und Anleitungen zum Briefbombenbau bei Neonazis ■ Von Jürgen Voges
Hannover (taz) – Das niedersächsische Landeskriminalamt – ansonsten mit der Göttinger autonomen Szene durchaus auf Kriegsfuß – hat Autonome und bekannte Linke der Universitätsstadt vor Briefbombenanschlägen von Neonazis gewarnt. Am Tag vor Heiligabend suchten Kripobeamte drei Wohngemeinschaften von Autonomen, die PDS-Bundestagsabgeordnete Heidi Lippmann und den Göttinger DGB-Kreisvorsitzenden Sebastian Wertmüller auf, um sie zur Vorsicht gegenüber Briefen oder Päckchen in der Größe einer Videokassette zu mahnen, die möglicherweise an Weihnachten oder bis Silverster zugestellt werden könnten.
Nach Angaben des niedersächsischen Landeskriminalamtes hatte dessen Staatsschutzabteilung die Göttinger Polizei per Fernschreiben zu der Warnaktion aufgefordert. „Es besteht die reale Gefahr, dass Angehörige der rechtsextremen Szene gegen Autonome oder auch ordentliche Linke aus Göttingen Sprengstoffanschläge verüben könnten“, sagte gestern der Leiter der LKA-Abteilung, Hans-Wilhem Duvenhorst.
Bei einer Durchsuchung im Zusammenhang mit Ermittlungen wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung gegen vier Göttinger Rechtsextremisten habe man Ende November Unterlagen über Sprengstoff und Zündmittel und Bauanleitungen für Briefbomben beschlagnahmt. Einige Angehörige der rechten Szene könnten problemlos Briefbomben bauen. Die Szene habe auch Kontakte ins Ausland, etwa nach Dänemark und Skandinavien, um von dort die Sprengkörper zu versenden. Duvenhorst verwies darauf, dass vor einiger Zeit Rechtsextreme Briefbomben von Dänemark aus nach Großbritannien versandt hatten.
Ein Sprecher der Göttinger Autonomen Antifa M kritisierte gestern die Warnaktion als unzureichend. „Anstatt einzelne Wohnungen oder Personen direkt aufzusuchen, wäre eine öffentliche Warnung notwendig gewesen“, sagte der Sprecher. Er forderte das Landeskriminalamt auf, zu den Berichten Stellung zu nehmen, nach denen bei der Durchsuchungsaktion Anfang November auch Sprengstoff beschlagnahmt worden sei. Dies habe der bekannte südniedersächsische Neonazi Thorsten Heise auf einer einschlägigen Internetseite behauptet.
Nach Einschätzung des LKA-Abteilungsleiters Duvenhorst befindet sich die rechtsextreme Szene in Südniedersachsen zur Zeit in einer politisch aussichtslosen Situation. Sie sei nicht nur mit ihren Demonstrationsversuchen gescheitert, einzelne Rechtsradikale seien auch Opfer erheblicher Straftaten geworden. So sei Ende Oktober ein Brandanschlag auf das Haus von Thorsten Heise verübt worden, bei dem ein Lager mit rechtsradikalen CDs in Flammen aufging. Am 15. Dezember sei außerdem ein Schulungsheim der Jungen Nationaldemokraten im niedersächsischen Landkreis Diepholz bis auf die Grundmauern abgebrannt. Man habe im LKA den Eindruck gewonnen, dass die Rechtsextremisten in dieser Situation zu immer aggressiveren Mitteln greifen könnten.
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