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Da war alles klar

Peter (11) ist ein geduldiger Mensch. Manchmal sitzt er stundenlang allein an der Spree und wartet, bis ein Fisch anbeißt: „Das macht mir nichts aus.“ Im Gegenteil. Weil es beim Angeln wichtig ist, dass Ruhe herrscht, kann er seine kleine Schwester hier nicht so gut brauchen: „Der fällt es schwer, still zu sein, und wenn sie zu laut quatscht, vertreibt das die Fische.“ Deshalb angelt er lieber allein – oder mit seinem „zweiten Vati“ Nick Reimer. Der Ostdeutschland-Korrespondent der taz schafft es offenbar eher, die Klappe zu halten. Also darf er mit.

Außerdem freut sich Peter, wenn der Freund seiner Mutter endlich mal Zeit für ihn hat. Im Alltag in Dresden „kann man mit Nicki sehr wenig machen, weil er ständig vorm Computer sitzt oder telefoniert, wenn ich ihn rufe“. Deshalb genießt er es, wenn sie am Wochenende oder in den Ferien nach Brandenburg fahren und in Ruhe angeln können. Wenn sie reden, dann flüstern sie. Zum Beispiel über ihre gemeinsame Ossi-Vergangenheit. Peter war ein Jahr alt, als die Mauer fiel. Dass er noch in der DDR geboren wurde, „bedeutet mir gar nichts, ich bin einfach froh, dass ich auf der Welt bin.“ Wie es früher war, „kann ich mir nicht recht vorstellen“. Ihn interessiert mehr, wie es weitergeht.

Für die Zukunft wünscht er sich, „dass es keinen Krieg mehr gibt, weil ich Krieg hasse, aber ich muss dazu sagen, dass ich die Panzer und Flugzeuge schön finde, weil sie schön geformt sind. Aber ansonsten finde ich Krieg sehr hässlich.“ Mit Begeisterung ist Peter dabei, wenn in dem alten Bauernhaus in Brandenburg renoviert werden muss. „Ich darf mitmachen und lackieren“, sagt er stolz. Er werkelt gern, und hier kann er sich austoben. Nicht nur unterm eigenen Dach. Und nicht nur unter Männern. Den Kuhstall der Nachbarn ausmisten oder einen Schneemann bauen – das macht er zusammen mit seiner Schwester. Die mag er nämlich eigentlich sehr, das merkt man sofort – wie er sie liebevoll neckt und wie er über sie spricht. So habe er mit dem Fußball spielen im Verein „auch wegen meiner Schwester aufgehört“. Sie sei immer so traurig gewesen, „weil ich durch den Fußball unseren Vater viel öfter gesehen habe“. Also hat er die Sportart gewechselt und mit Tischtennis angefangen.

Beruflich orientiert er sich trotzdem weiter am Vater: „Ich werde Maschinenbauer.“ So viel steht fest. Doch hat er sich auch überlegt, wie er das später hinkriegen will mit Familie und so? Scheint ja nicht so einfach zu sein. Von wegen, kein Problem. „Ich hab schon eine Freundin!“ Und was für eine: „Die hat Sommersprossen im Gesicht, schöne blonde Haare und coole Klamotten.“ Geangelt hat er sie sich letzten Sommer im Ferienlager in der Sächsischen Schweiz. Er musste gar nicht viel tun. Beim Flaschendrehen war ein Kuss zu vergeben. „Und wen hat’s getroffen?“ Peter und das „Blondinchen“. Seitdem sind sie ein Paar: „Das war dann klar, du.“

Sie schreiben sich und sie telefonieren. Kein Wunder, dass er gelassen am Ufer sitzt und wartet, bis sie sich wiedersehen. Er hat was zum Träumen. L.W.

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