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Altkanzler Kohl soll aufs Altenteil

■ Prominente Unionspolitiker erhöhen den Druck auf Helmut Kohl, in der Spendenaffäre reinen Tisch zu machen. Kohl soll eigenem CDU-Kreisverband 100.000 Mark aus schwarzen Kassen zugeschoben haben

Berlin (rtr/dpa) – Altkanzler Helmut Kohl soll im vergangenen Jahr seinem heimatlichen CDU-Kreisverband Ludwigshafen 100.000 Mark aus schwarzen Kassen haben zukommen lassen. Das berichtet das Magazin Focus in seiner jüngsten Ausgabe. In CDU und CSU wächst unterdessen der Druck auf Kohl, in der Spendenaffäre reinen Tisch zu machen. Prominente Unionspolitiker, darunter Ex-Kanzleramtsminister Friedrich Bohl und die JU-Vorsitzende Hildegard Müller, forderten den CDU-Ehrenchef gestern auf, die Namen der Spender jener 1,5 bis 2 Millionen Mark aus den Jahren 1993 bis 1998 zu nennen, die Kohl verschweigt. Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) appellierte an seine Partei, aus dem Schatten des Altkanzlers zu treten. Der CDU-Landeschef von NRW, Jürgen Rüttgers, griff unterdessen Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) wegen Parteilichkeit an.

Bei der Staatsanwaltschaft Bonn, die gegen Kohl wegen Untreue ermitteln will, gingen rund 20 neue Anzeigen gegen den Altkanzler ein. Am Montag wird die Staatsanwaltschaft gegen Kohl offiziell ein Verfahren wegen des Verdachts der Untreue einleiten. Weitere Details über die schwarzen Spenden werden vom korrigierten Rechenschaftsbericht für 1998 erwartet, den die CDU bis heute dem Bundestag vorlegen will.

Focus berichtete unter Berufung auf den CDU-Rechenschaftsbericht, 100.000 Mark seien an die CDU Ludwigshafen geflossen. Kohl wohnt im rheinland-pfälzischen Oggersheim, das zu Ludwigshafen gehört. Focus zufolge sind Zuwendungen der Bundespartei an Kreisverbände bei der CDU absolut ungewöhnlich. Die Schwarzgeldzahlung sei unter Umgehung der zuständigen Parteigremien der Bundespartei erfolgt. Aus dem Rechenschaftsbericht gehe auch hervor, dass von der umstrittenen Spende in Höhe von knapp 1,15 Millionen Mark aus der Unionsfraktion an die Bundes-CDU 372.000 Mark fehlen. Der Restbetrag sei auf offizielle CDU-Konten eingezahlt worden.

Rüttgers warf Bundestagspräsident Wolfgang Thierse eine Verletzung der von Amts wegen gebotenen Neutralität in der Spendenaffäre vor. „Thierse hat in mehreren Interviews Vorverurteilungen vorgenommen. Er hat sich massiv parteiisch im Sinne der SPD verhalten“, sagte Rüttgers dem Sender n-tv. Damit stelle sich für die CDU die Frage, ob sie Thierse nicht wegen Befangenheit ablehnen müsse. Thierse hatte zuvor erklärt, er habe sich nur zum Verfahren und Parteiengesetz geäußert.

Nach Ansicht von Ministerpräsident Biedenkopf geht es für die CDU jetzt darum, „sich aus den Denkgebäuden, aus den Verhaltensstrukturen, aus dem Politikverständnis einer zutiefst von Helmut Kohl geprägten Zeit zu lösen“. Die Spendenaffäre habe diesen Prozess beschleunigt. Das Verhältnis der jetzigen Parteiführung zu Kohl ähnelt nach Ansicht Biedenkopfs dem „eines amtierenden Bauern zum Altbauern“, bei dem sich die Frage stelle, „wie bekommt man ihn dazu, sich endgültig aufs Altenteil zurückzuziehen“, sagte Biedenkopf dem Spiegel.

CSU-Generalsekretär Thomas Goppel machte deutlich, dass auch seine Partei von der Affäre betroffen ist. CDU und CSU seien schließlich Schwestern.

Tagesthema Seite 3

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