Montenegro im Jahr der Entscheidung

Milosevic gesteht der jugoslawischen Teilrepublik das Recht auf Unabhängigkeit zu. Die Regierung in Podgorica kündigt ein Referendum in den nächsten zwölf Monaten an

Belgrad (dpa) – Der jugoslawische Präsident Slobodan Miloše- vić hat der reformorientierten Teilrepublik Montenegro das Recht auf Unabhängigkeit zugestanden. Falls sich Montenegro aber für ein Verbleiben in der Bundesrepublik Jugoslawien entscheidet, müsse es sich an die Regeln der Föderation mit Serbien halten, sagte Miloše- vić in einem Interview mit der regierungstreuen Belgrader Tageszeitung Politika vom Freitag.

Die Führung in Montenegro strebt zum Westen hin und hat für dieses Jahr eine Volksabstimmung angekündigt. „Die beste Lösung für Montenegro ist die, die den Bürgern am besten passt“, sagte Milošević. „Wenn das Volk Montenegros entscheidet, dass ein Leben außerhalb Jugoslawiens besser ist, hat es das Recht, ein solches Leben zu wählen.“ Ansonsten müsse es sich aber an die Spielregeln halten.

Die Erklärung von Milošević kam fast zeitgleich mit offiziellen Bekräftigungen aus Montenegro, im kommenden Jahr ein Referendum abzuhalten. „Die Frage der Beziehungen (Serbiens und Montenegros) wird im Jahr 2000 ein für alle Mal gelöst“, sagte Miodrag Vuković, Berater des montenegrinischen Präsidenten Milo Djukanović, am Donnerstag zu Journalisten. Milošević warnte die montenegrinische Führung, sie müsse einen Volksentscheid für Jugoslawien respektieren.

Die Erklärung Milošević’ bedeutet kaum mehr als eine Forderung nach klaren Verhältnissen, die in Montenegro aber kaum herbeizuführen sind. Fast im Verhältnis 50 zu 50 ist die Bevölkerung gespalten. Der frühere Präsident Momir Bulatović, Milošević-treuer Gegenspieler von Djukanović, ist jetzt Ministerpräsident der Bundesrepublik Jugoslawien.

Die montenegrinische Regierung will mehr Freiheiten und wirtschaftliche Reformen. Sie lehnt die Autorität der Milošević-kontrollierten Zentralregierung ab. Mit der Einführung der Deutschen Mark als offizielle Währung Ende 1999 hat die Eigenständigkeit weitere Züge angenommen. Doch die erwünschte Stabilität ist zunächst nicht eingetreten. Stattdessen sind die Verbraucherpreise auch in D-Mark deutlich gestiegen. Darüber hinaus beschuldigt Montenegro Belgrad, sich in der kleineren Republik mit harter Währung einzudecken.

An Zündstoff besteht kein Mangel in dem Streit zwischen den Republiken. Und weiterhin fehlen Milošević und seinem Zuspieler Bulatović nur einige Prozent, um die Macht wieder an sich zu reißen – oder im Falle einer Niederlage ein organisiertes Chaos auf den Straßen zu entzünden.