: Grüne: Spätere PDS-Koalition nicht ausgeschlossen
■ Rot-Grün ganz anders: Berliner Bündnisgrüne lehnen als erster Landesverband ein Bündnis mit der PDS nicht mehr ab. PDS gegen „abstrakte Planspiele“
Berlin (taz) – Erstmals schließt ein Landesverband der Grünen eine Regierungskoalition mit der PDS nicht mehr aus. „Wir arbeiten in Berlin an einer strategischen Neuausrichtung“, sagte Andreas Schulze, der Sprecher der Bündnisgrünen in der Hauptstadt. Nach der Niederlage bei den Landtagswahlen wolle man in Zukunft „mit jeder Partei zusammenarbeiten, mit der sich grüne Vorschläge verwirklichen lassen“, erklärte Schulze gegenüber der taz. Dies beinhalte ausdrücklich auch die Möglichkeit eines Regierungsbündnisses mit der PDS.
Der bündnisgrüne Berliner Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele sagte der taz dazu: „Die Annäherung an die PDS war vorhersehbar und ist in der jetzigen Situation unvermeidlich.“ Die Mehrheitsverhältnisse in Berlin seien ein Auftrag der Wähler, der PDS „eine wichtige Funktion in Berlin“ zuzuschreiben. Am Ende entschieden aber nicht die Grünen, sondern die SPD darüber, ob ein Regierungswechsel unter Beteiligung der PDS möglich sei.
Zwar sei eine Regierungskooperation mit den Demokratischen Sozialisten zum gegenwärtigen Zeitpunkt schwer vorstellbar, schränkte Schulze ein. Differenzen gebe es beispielsweise in der Verkehrs- oder Ausländerpolitik. In den Bereichen soziale Gerechtigkeit und Stadtentwicklung lägen die Vorstellungen der beiden Parteien jedoch „nicht weit auseinander“, begründete Schulze den Kurswechsel, dem das Konzept der „Äquidistanz“ zu den übrigen Parteien zugrunde liegt. In der Opposition habe man bereits früher mit der PDS kooperiert, so Schulze. Fraktionschef Wolfgang Wieland bestätigte: „Es sind auch andere Bündnisse als Rot-Grün vorstellbar.“
Mit dem neuen Kurs gehen die Grünen auf Distanz zu den gebeutelten Sozialdemokraten der Hauptstadt. Der Sprecher der grünen Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Matthias Tang, formulierte deutlich: „Die SPD ist für uns nicht mehr der natürliche Koalitionspartner.“ Auch in der Abgeordnetenhausfraktion sei der neue Kurs Konsens. „Wir wollen mit allen Parteien prüfen, was möglich ist.“
Vor den Landtagswahlen am 10. Oktober 1999 hatten die Grünen eine Regierungsbeteiligung der PDS mit Rücksicht auf die SPD ausgeschlossen. Doch die erzielte mit 22,4 Prozent das schlechteste Ergebnis seit dem Ende des ZweitenWeltkriegs. Im Westteil erhielt die CDU, im Ostteil die PDS die absolute Mehrheit.
Eine Zusammenarbeit mit der CDU sei für die Berliner Grünen ebenfalls prinzipiell denkbar, sagte Tang. „Zurzeit ist Schwarz-Grün in Berlin aber unwahrscheinlich“, schränkte er ein. Die Vorstellungen in den Bereichen Ausländerpolitik und Innere Sicherheit würden sich fundamental unterscheiden.
Die Berliner PDS, die sich im Landtagswahlkampf den Grünen und der SPD vergeblich als Regierungspartner angeboten hatte, reagierte unterkühlt auf den neuen grünen Kurs. Die Berliner Landesvorsitzende Petra Pau kritisierte „abstrakte Planspiele über mögliche Bündnisse zwischen SPD, PDS und Grünen“. Es gehe um konkrete Projekte und nicht um ein unausgeschriebenes Koalitionsrennen, so Pau. Andreas Spannbauer
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