Kassen bangen um Beitragsstabilität

■ Hohe Tarifabschlüsse können Krankenkassenkalkulationen sprengen / Kliniken sparen weiter: St. Jürgen bei den Ärzten

Krankenkassen fürchten Schlimmes. Wenn die Gewerkschaften für die Beschäftigten der Krankenhäuser in diesem Jahr erneut Tarifabschlüsse erzielen, die über der Steigerung des Krankenhausbudgets liegen, könnte dies zu Lasten der Kassen gehen. „Dann ist die Beitragssatz-Stabilität gefährdet“, sagt Karl Nagel vom Bremer Verband der Angestellten-Krankenkassen – auch mit Blick auf die angekündigten „harten Lohnrunden“.

Denn die Krankenhausausgaben fressen insgesamt ein Drittel des gesamten Kassenvolumens – und nach der jüngsten Gesundheitsreform müssen die Kassen „Besonderheiten“ wie Tariferhöhungen beim Aushandeln der Jahresbudgets für die Kliniken berücksichtigen.

Im vergangenen Jahr hatten die Kliniken dagegen noch den größten Teil der 3,1 prozentigen Tariferhöhung im Öffentlichen Dienst selbst aufbringen müssen. In der städtischen St. Jürgen-Klinik hatte der Tarifabschluss beispielsweise ein sechs Millionen Mark-Loch in den rund 225 Millionen Mark schweren Personaletat gerissen. Der Grund: Die Kassen beglichen nur einen Teil dieser Tariferhöhungen. Die Gewerkschaften hatten immer wieder die Gesetzwidrigkeit dieses Vorgehens als „Verstoß gegen die Tarifautonomie“, kritisiert. Sie kommen dadurch in eine Klemme: Je besser der Tarifabschluss, desto größer der Spardruck auf den Arbeitgeber, desto größer das Risiko des Stellenabbaus. In vielen Bremer Kliniken bleiben offene Stellen deshalb über längere Zeit vakant. Die St. Jürgen-Klinik dagegen traf eine bis zum Jahresende 99 befristete hausinterne Sparvereinbarung.

Unter Verweis auf den Bundesangestelltentarif setzte die Klinikleitung durch, dass Bereitschaftsdienste von ÄrztInnen mindestens teilweise durch Freizeit abgegolten werden müssen. Das blieb unter den rund 250 betroffenen ÄrztInnen bis zuletzt heiß umstritten. Damit würden private Finanzplanungen über den Haufen geworfen, maulten die MedizinerInnen im Bereitschaftsdienst. Ihnen entgingen durch diese Regelung Zahlungen über mehrere hundert Mark je Bereitschaftsnacht. Intern sprechen sie von „Zwangsurlaub“. Nachdem die Freizeit aus den Bereitschaftsnächten aber auch als zusammenhängende Freizeit genommen werden konnte, durchliefen mehr als hundert Einzelanträge auf einen solchen Sonderurlaub den Personalrat.

„Wir haben allein durch die Maßnahmen im ärztlichen Bereitschaftsdienst 600.000 Mark gespart“, bilanziert der Personalchef der St. Jürgens-Klinik, Uwe Premm jetzt. Durch ein ganzes Maßnahmenbündel wurden insgesamt vier der sechs Minus-Millionen wieder ausgeglichen. Unabhängig davon, ob und wieviel von einer möglichen kommenden müsse hier noch mehr geschehen, kündigt er an. Derzeit prüfe die Klinikleitung den „geschachtelten Dienst“ für Mediziner.

Die Idee ist simpel und wird in anderen Bereichen schon lange praktiziert: Die zuschlagsfreie Arbeitszeit von ÄrztInnen an der St. Jürgens-Klinik soll ausgeweitet werden. Statt wie bisher um 16 Uhr könnte die Regelarbeitszeit erst um 18 Uhr enden. Dadurch würden auch die teureren Bereitschaftsdienste erst später anfangen und weniger lang dauern; der damit einhergehende Freizeitausgleich würde weniger, das Einsparpotential liegt auf der Hand.

„Wer sagt, dass Ärzte nur von 8 bis 16 Uhr operieren können?“, signalisiert auch mancher Personalrat lakonisch Zustimmung. Im Pflegedienst sei der Drei-Schicht-Betrieb schon lange eingeführt und diene der Qualitätssicherung. Allerdings müssten neue Maßnahmen gründlich besprochen werden. ede