piwik no script img

Was Antje und Wolfgang vor dreißig Jahren träumten

Im Jahre 2000 werde ich Journalistin sein und in einem der Industriezentren unserer Republik wohnen. In Westdeutschland ist im Ruhrgebiet der Generalstreik ausgebrochen. Auch anderswo stehen die Arbeiter im Streik. Von der Raumstation „Intercom“, auf der Wissenschaftler aller sozialistischen Länder arbeiten, wurde zum ersten Mal ein bemanntes Raumschiff zum Mars gestartet. Durch das Summen der Rohrpost werde ich aus meinen Gedanken gerissen. Unter den Zeitungen und Briefen meiner Kinder, die sich auf einer Expedition befinden, liegt auch ein Brief meines vietnamesischen Freundes Thang. Seit dem Ende der amerikanischen Aggression und der Vereinigung von Nord- und Südvietnam entwickelte sich dieses Land zu einem hoch industrialisierten Land. Thang schreibt, dass er nächste Woche nach Berlin fahren wird. Schade! Schon morgen fahre ich zu einer 14-tägigen Beratung nach Kairo. Ein erneutes Summen macht mich darauf aufmerksam, dass es Zeit ist, zur Arbeit zu gehen. Ich eile zu einem der ferngesteuerten öffentlichen Fahrzeuge.

Vielleicht leite ich am 6. Januar 2000 ein Forschungskollektiv, welches vollkommen neue Wege auf dem Gebiet der Vakuumtechnik erforscht. Unser Produktionsprogramm bedarf schließlich ständig einer Weiterentwicklung, um auf dem Weltmarkt Schritt zu halten. Ich werde ein Ingenieurstudium – Fachrichtung Maschinenbau – aufgenommen haben mit dem Ziel, nach erfolgreichem Abschluss des Studiums in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung meines Betriebes, dem VEB Labortechnik Ilmenau, zu arbeiten. Auch unser Betrieb, der momentan in 24 verschiedenen Produktionsstätten produziert, wird in einem Objekt zusammengefasst sein. Daraus ergeben sich natürlich enorme Möglichkeiten zur Durchsetzung der komplexen Rationalisierung des Arbeitsablaufes, wie sie vorher nicht möglich waren. Über eines bin ich mir allerdings sicher. So wie ich bis jetzt in der FDJ gearbeitet habe, so werde ich zu diesem Zeitpunkt, da ich für die aktive FDJ-Arbeit etwas zu alt sein dürfte, meine Aufgaben in den Reihen der Partei erfüllen, deren Mitglied ich seit fünf Monaten bin.

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen