: Sonne, Bier und Viagra
Sextouristen in Thailand setzen zunehmend auf Potenzmittel. Prostituierte sind gestresst, ihre Kunden manchmal tot ■ Von Jutta Lietsch
Bangkok (taz) – Für die 34-jährige Bardame Daeng aus dem „TP-A-GoGo“-Etablissement ist die Frage nach den Folgen des Potenzmittels Viagra schnell beantwortet: „Für Männer gut. Für Frauen schlecht.“ Daeng muss es wissen, denn sie arbeitet seit Jahren im thailändischen Badeort Pattaya, der Sextouristen aus aller Welt anzieht: „Normalerweise dauert mit denen einmal Sex 10 bis 15 Minuten. Dann reicht es ihnen, und sie trollen sich.“
Vorher allerdings müssen sie umgerechnet 50 Mark bezahlen. Doch mit Viagra erlebt Daeng nun ganz andere Szenen: „Mit diesen neuen Tabletten brauchen die Kunden stundenlang, und hinterher gibt es auch noch Ärger.“ Denn für den zeitraubenden Service wollten die meisten Männer keineswegs mehr bezahlen.
Fuer Daeng und ihre rund 30.000 Kolleginnen ist die Potenzpille ein geschäftsschädigendes Ärgernis – für manche Sextouristen wird der Spaß am Ende allerdings auch teuerer als gedacht. Denn die Kombination aus Alkohol, tropischen Temperaturen und anstrengendem Sex überfordert offenbar einige jener Spezies von Männern, die im durchschwitzten T-Shirt und Bermudashorts durch die Bars von Pattaya ziehen.
Immer wieder berichten Bangkoker Zeitungen vom mysteriösen Tod männlicher Gäste im besten Alter, deren Leichen in den Hotelbetten gefunden werden. „Das Herz hat aufgehört zu schlagen“, steht dann vage in dem von thailändischen Ärzten ausgefüllten Totenschein, der den ahnungslosen Hinterbliebenen in der Heimat ausgehändigt wird. „Touristen beenden Urlaub vorzeitig“, spottete die englischsprachige Zeitung Nation kürzlich.
Bis zu 120 Deutsche werden das „Land der Freien“ – so der Name Thailands – bis Ende dieses Jahres voraussichtlich „entweder in einem Sarg oder in einer Urne verlassen “, zitierte das Blatt einen deutschen Diplomaten. „Acht bis zehn“ dieser Todesfälle seien vermutlich auf eine Überdosis von Viagra oder anderer Stimulanzien zurückzuführen.
Viagra und Aufputschmittel gehören neben Thai-Whisky und literweise Singha-Bier in Pattaya und anderen Rotlichtzentren Thailands mittlerweile zum Alltag: Eine blaue 100-Milligramm-Potenzpille kostet in der Sanganant-Apotheke an der South Pattaya Road 600 Baht, rund dreißig Mark. Ein Rezept verlangt die Apothekerin nicht. Sogar Supermärkte wie „Foodland“ bieten das Mittel in ihrer Drogerie-Abteilung an.
Die Verbindung von Viagra und den Todesfällen ist allerdings bislang eher spekulativ. Zwar sind in letzter Zeit mehr ausländische Urlauber in Thailand gestorben als früher. Aber es kommen auch mehr Touristen als früher ins Land. Die meisten sterben durch Verkehrsunfälle, andere ertrinken im Meer. Viele sind ohnehin gesundheitlich angeschlagen, wenn sie nach Thailand kommen. Sie sind die Hitze nicht gewöhnt und muten sich zu viel zu: Manche mixen sich während ihres Urlaubs in Pattaya mit seinen Bars, Bordellen und Biergärten eine Melange aus Bodybuilding, Suff und Sex.
Exemplarisch für das Verhalten einiger Touristen sind die beiden deutschen Polizisten vom Rhein, deren Kennzeichen besonders muskulöse Schultern sind, auf denen kleine Köpfe ruhen. Ihr Programm beginnt am frühen Nachmittag im Fitness-Studio. Dort schlucken sie bereits eine Dosis Steroide, werfen einen Blick in den Spiegel und ziehen dann in die Bar, um die abgearbeiteten Pfunde mit ein paar kühlen Bieren gegen die tropische Sonne wieder anzusetzen.
Wenn die beiden um Mitternacht ihre Tour durch die Techno-Discos beginnen, fühlen sie sich topfit. Dafür sorgen „Yabaa“ (verrückte Medizin) genannte Amphetamine, die überall zum Spottpreis von rund zehn Mark pro Pille zu haben sind. „Yayi“ – Ecstasy – ist etwas teurer: rund 35 Mark. Nach dem Besuch in der „Marine II“-Disco naht der Höhepunkt der Nacht. Gestärkt von 50 Milligramm Viagra, versuchen sie sich ausgerechnet bei Frauen wie Daeng zu beweisen.
Die findet das allerdings wenig verlockend. Wenn sie den Eindruck hat, dass einer ihrer Kunden Viagra genommen hat, „soll der von vornherein mehr zahlen. Sonst sage ich: Such dir jemand anderes!“
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