: Grüne müssen Nachwuchs aufbauen
Kandidatur von Renate Künast für den Bundesvorsitz forciert den Generationswechsel
Die Berliner Grünen müssen sich darauf einstellen, nach Michaele Schreyer eine weitere ihrer Führungspersönlichkeiten zu verlieren. Die grüne Fraktionschefin Renate Künast hat gestern offiziell ihre Kandidatur als Bundesvorstandssprecherin bekannt gegeben. Überraschend kam ihre Ankündigung für ihre ParteikollegInnen nicht. Schon im Oktober 1998 war sie von der Parteilinken für die Nachfolge Jürgen Trittins vorgeschlagen worden. Damals winkte sie mit dem Hinweis auf die bevorstehenden Berliner Wahlen ab. In der Schlussphase des Wahlkampfs wurde die Spitzenkandidatin erneut für den Posten ins Gespräch gebracht.
Künast will nur dann Bundesvorstandssprecherin werden, wenn der Parteitag im März die Trennung von Parteiamt und Parlamentsmandat aufhebt. Sie will als Abgeordnete aktiv bleiben. Ob sie den Fraktionsvorsitz aufgebe, werde sie zu gegebener Zeit entscheiden, sagte sie gestern.
Von einem „Aderlass“ für die Berliner Grünen wollte der grüne Fraktionschef Wolfgang Wieland gestern nicht sprechen. Vielmehr werde es positiv auf den Landesverband zurückfallen, wenn sich die Arbeit der Grünen auf Bundesebene verbessere. Denn das schlechte Erscheinungsbild der rot-grünen Bundesregierung sei der Hauptfaktor für das miserable Wahlergebnis der Berliner Grünen gewesen. „Die Grünen sind in einer Existenzkrise. Die nächsten zwei Jahre entscheiden, ob es die Grünen noch geben wird,“ sagte Wieland.
Innerparteilich wird damit gerechnet, dass Künast im Falle ihrer Wahl ihren Fraktionsvorsitz aufgibt. Wieland sagte, die Aufgabe einer Bundesvorstandssprecherin erfordere „den ganzen Einsatz“. Er könne sich kaum vorstellen, dass die beiden Führungsaufgaben gleichzeitig zu leisten seien. „Die Fraktion wird dann aber nicht kopf- und orientierungslos sein,“ so Wieland. Er zeigte sich zuversichtlich, dass sich neue Führungspersönlichkeiten herauskristallisieren werden. „Zur Mitte der Legislaturperiode wird man einen ganz anderen Eindruck davon haben, wer diese Fraktion trägt.“
Der überfällige Generationswechsel, den die Grünen ohnehin zu bewältigen haben, wird durch Künasts Kandidatur noch dringlicher. Bis zur nächsten Wahl müssen auch neue Gesichter in der ersten Reihe stehen und nicht nur diejenigen, die seit zehn Jahren dabei sind, heißt es parteiintern.
Die Partei steht nun vor der Aufgabe, Nachwuchskräfte aufzubauen. Bei der Wahl des neuen Fraktionsvorstandes hatten die Grünen bereits vorausschauend altbewährte und neue Kräfte gemischt, darunter auch die 30-jährige Lisa Paus. „Wir stehen sowieso vor der Aufgabe, eine gesunde Mischung von Altparlamentariern und Nachwuchs hinzubekommen“, sagte sie gestern. „Diese Aufgabe werden wir meistern.“
Dorothee Winden
Interview und Bericht Seite 5
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