: Der Union geht das kanzlerfähige Personal aus
In ihrer Not plädieren nun sogar CDU-Kreise für einen Kanzlerkandidaten Stoiber. Doch der CSU-Chef gerät wegen Gratisurlaub beim Strauß-Amigo Dieter Holzer ins Zwielicht
Nürnberg (taz) – „Wir haben unsere Bücher geprüft, bei uns hat es in den vergangenen Jahren derartige Vorgänge nicht gegeben.“ Mit dem Brustton der Überzeugung geht CSU-Generalsekretär Thomas Goppel nach Schäubles Eingeständnis in die Offensive, um seine Christsozialen vor dem Sog der sich rasant ausweitenden Spendenaffäre zu bewahren. Doch je lauter in der CSU die Stimmen nach einem Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber werden, desto mehr rückt die Sauberkeit der Weste des CSU-Chefs ins Visier.
Die Kandidatendiskussion sei „so überflüssig wie ein Kropf“, reagiert CSU-Fraktionschef Alois Glück auf entsprechende Äußerungen des Hamburger CDU-Fraktionschefs Ole von Beust und des niedersächsischen Fraktionsvizes Bernd Busemann. Gerade Glücks Partei hat sich bei der Spendenaffäre der Schwesterpartei ungewohnte Zurückhaltung auferlegt. Mit Erfolg: Neuesten Umfragen zu Folge würden 60 Prozent der Bayern CSU wählen.
Doch Glück weiß genau, wie schnell sich so etwas ändern kann. Der Untersuchungsausschuss zu den Millionenverlusten der Landeswohnungs- und Städtebaugesellschaft (LWS) wird in Kürze die Mitverantwortung führender CSU-Männer zu Tage fördern. Im Prozess um die Schmiergeldaffäre beim Bayerischen Roten Kreuz wird die Verwicklung von Mitgliedern der CSU-Staatsregierung eine Rolle spielen. Und jetzt hat auch noch SPD-Landeschefin Renate Schmidt das Urlaubsgebaren des bayerischen Ministerpräsidenten aufs Tapet gebracht.
Sechs- bis achtmal habe Stoiber samt Familie Urlaub im südfranzösischen Juan Les Pines auf Kosten von Dieter Holzer gemacht. Ausgerechnet bei Holzer. Der aus dem Saarland stammende Unternehmer ging nicht nur in der Bayerischen Staatskanzlei ein und aus, arbeitete im Nahen Osten unter dem Decknamen „Baumholder“ für den Bundesnachrichtendienst und war dort noch 1998 im Auftrag von Bayerns Wirtschaftsminister Otto Wiesheu als Nothelfer tätig. Laut Le Monde hat Holzer allein beim Verkauf der Leuna-Werke an den französischen Konzern Elf Aquitaine 50 Millionen Mark Schmiergeld erhalten. „Ich war mit Stoiber sehr eng befreundet“, sagt der in Monaco lebende Holzer, der Stoiber 1982 als Leiter der Staatskanzlei kennen gelernt hatte.
Stoiber hat die Urlaube mittlerweile eingeräumt, will jedoch den Kontakt zu Holzer bereits vor zehn Jahren abgebrochen haben.
Doch auch der diesjährige Urlaub Stoibers in der Luxusvilla des ehemaligen Strauß-Leibarztes, Valentin Argirov, erscheint nicht einwandfrei. Mit Frau Karin logierte Stoiber zwei Wochen im Domizil des Strauß-Amigos. Parallel dazu buchte er ein billiges Doppelzimmer in einem nahen Zwei-Sterne-Gästehaus, ohne dies je zu beziehen. Der Trick flog auf und Stoiber versicherte eilends, er habe 3.000 Mark an Argirov bezahlt.
Für Renate Schmidt ist damit das Maß voll. Die SPD-Chefin verlangt gleiche Maßstäbe für Stoiber wie für die wegen ähnlicher Affären zurückgetretenen Ministerpräsidenten Glogowski, Späth und Streibl. „Herr Stoiber tut so, als ob er nach wie vor der Saubermann wäre. Auch das ist ein Fehlverhalten.“ Bernd Siegler
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