: James Bond ist nicht genug
Das Taditionskino Filmbühne Wien schließt. Die Ufa-Filmtheater Gesellschaft macht das Haus dicht, weil es sich nicht mehr rechnet. Keine Chance gegen die Konkurrenz am Potsdamer Platz. Der Kudamm verliert erneut ein Stück Kinokultur ■ Von Rolf Lautenschläger
Noch wird gelacht, wenn DDR-Grenzpolizisten im Film „Sonnenallee“ steppen. Noch wird geweint bei „Raus aus Amal“. Und noch kichern alte und junge Spionagefilmfans, wenn Agent 007 („mein Name ist Bond, James Bond“) die Lizenz zum Töten verwendet. „Die Welt ist nicht genug“ läuft seit Wochen in der Filmbühne Wien am Kurfürstendamm mit überdurchschnittlichem Erfolg. Doch genug für die Ufa-Filmtheater GmbH ist das nicht.
Nach der Schließung des „Gloria-Palastes“ will die Ufa mit der „Filmbühne Wien“ nun das zweite Traditionskino am Kudamm aus wirtschaftlichen Gründen aufgeben. Statt großer Premieren sollen im kommenden Jahr Textilien in dem Haus präsentiert werden. Das Haus ist bereits an einen privaten Investor verkauft worden, der die Filmbühne Wien zum Bekleidungsgeschäft umbauen will. Aus den acht Sälen mit über 1.110 Plätzen entstehen große Verkaufsetagen, Lagerräume für die Kleider inklusive. Die denkmalgeschützte Fassade sowie das historische Treppenhaus werden dagegen erhalten. Das Kino, begründet Tanja Güß, Sprecherin der Ufa-Filmtheater Gesellschaft, die Schließung, sei in der „derzeitigen Form betriebswirtschaftlich nicht mehr zu halten“. Man habe das ursprüngliche Konzept, aus dem Haus mit dem 70er-Jahre-Charme ein „Luxuskino“ zu machen, aufgegeben, weil sich die Kinolandschaft Berlins „radikal“ verändert habe.
Aufgrund der neu entstandenen Kinos am Potsdamer Platz sowie in Ostberlin hätten sich die Bedingungen für die Spielstätten am Kurfürstendamm verschlechtert. Hinzu komme, dass in unmittelbarer Nähe zur Filmbühne Wien ein neues Multiplex vorgesehen sei. Güß: „Das war entscheidend für die Schließung der Filmbühne zum Jahresende.“ Eine millionenschwere Investition, wie die Ufa sie noch am „Mamorhaus“ vorgenommen hatte, „rechnet sich dort nicht mehr“.
Richtig ist, dass die Kino-Konkurrenz am Potsdamer Platz und in den Bezirken Mitte sowie Friedrichshain sich erdrückend für die traditionellen Filmkunsttheater am Kudamm auswirkt.
Das Cinemaxx spielt mit neunzehn Sälen auf dem Debis-Areal. Einen Zuschauerboom verzeichnet auch das neue Multiplex in Friedrichshain. Hinzu kommt, dass in der kommenden Woche acht weitere Säle samt 3-D-Imax-Kino auf dem Sony-Gelände eröffnet werden.
Richtig bleibt aber auch, dass die Theaterleiter für ihre Häuser in der westlichen Innenstadt „wenig getan haben“, wie Charlottenburgs grüne Baustadträtin Beate Profé kritisiert.
Einige Kinos hätten einen „bedenklichen Standard“, der den Anforderungen junger Kinobesucher nicht mehr genüge. Im Vergleich zum Komfort anderer neuer Häuser leide auch die Filmbühne Wien unter dem Manko kleiner Säle und muffigen Ambientes. Das war nicht immer so. Der 1912 von den Architekten Nentwich & Simon errichtete „Union-Palast“ mit einer tempelähnlichen Fassade aus Säulen und Giebel gehörte bis zum Krieg zu den großen Kinos der westlichen Innenstadt. Während die Umbauten der 50er-Jahre mit einem dreiachsigen Anbau den Filmpalast noch erhielten und den Filmfestspielen einen glamourösen Rahmen gab, wurde das Innere der Filmbühne Wien in den 70er-Jahren entstellt. Der große Kinosaal erhielt nur noch 550 Plätze. Sieben Schachtelkinos mit 55, 65 oder 95 Plätzen und bonbonfarbenen Tapeten zerstückelten das Großkino zum Parzellenmovie.
Für die City-West, sagt Profé, bedeute die Schließung der Filmbühne Wien einen weiteren „dramatischen“ Schritt im Niedergang der Kinokultur vor Ort. Planungsrechtlich habe sie keine Möglichkeit, die Umnutzung zu verhindern. Aufgehalten werden könne das Kinosterben nur, wenn die Häuser selbst bauliches und cineastisches Profil zeigten, das sich von anderen Spielorten unterscheide. James Bond also ist nicht genug.
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