: Schreibmaschinen und Ordnung
■ Bremen war Friedrich Ebert viel zu links / Der Organisator ging lieber nach Berlin und machte von dort aus tabula rasa mit den Bremer Räten
Stürmisch, 20-jährig und mit geschärftem sozialen Bewusstsein kam Friedrich Ebert im Mai 1891 nach Bremen. „Der liberale Ruf der Stadt lockte ihn“, erzählt Michael Scherer, Leiter des Landesinstitutes für politische Bildung. Dieser Ruf der Hansestadt basierte vor allem auf der lockeren Handhabung der Bismarckschen Sozialistengesetze in den 80er Jahren.
In keiner anderen Stadt hatte es den jungen Ebert, der seit 1888 nach einer abgebrochenen Sattlerlehre auf Wanderschaft war, bis dahin lange gehalten. Fast überall hatte der Agitator und Streikorganisator, der seit 1889 der SPD angehörte, nach kurzer Zeit seinen Arbeitsplatz verloren und musste weiterziehen.
Vierzehn Jahre lang, bis 1905, blieb Ebert in Bremen. Viele Tränen vergoss er beim Abschied allerdings nicht. Hatte ihm am Anfang noch die tolerante Gesinnung der Stadt gereizt, war er am Ende froh, den „linken Streitern“ den Rücken zu kehren und nach Berlin gehen zu können. Denn bei allem sozialen Engagement für die Arbeiterklasse, war und blieb Ebert immer ein Anhänger der bürgerlichen Ordnung. Und es gefiel ihm ganz und gar nicht, dass nach dem von ihm organisierten Bremer Parteitag von 1904 der revolutionäre Flügel in der SPD die Oberhand gewonnen hatte.
Wie tief der Groll gegen die Revoluzzer bei Ebert saß, ist ungewiss. Genervt war er allemal, als er Bremen verließ. Gewiss ist zweifelsohne, dass er das letzte Wort behielt: Denn zu Beginn der Weimarer Republik ließ Ebert von Berlin aus die linksradikalen Bremer Räte gewaltsam niederschlagen. So mancher Historiker hält ihn noch heute für einen „Verräter der Revolution“.
Eberts Weggang aus Bremen wurde von den Genossen „mit einem nassen und einem heiteren Auge“ aufgenommen, meint Michael Scherer. Ebert hinterließ in der Tat eine Lücke, denn seine Person wirkte prägend für die Entwicklung der Bremer SPD und der Arbeiterbewegung insgesamt. Unter ihm hatten sich die Partei und die gewerkschaftlichen Organisationen zu Massenorganisationen gemausert. Als Fraktionsvorsitzender der SPD hatte Ebert ab Januar 1900 Schwung in die Bremische Bürgerschaft gebracht – sozialpolitische Themen standen von nun an auf der Tagesordnung.
Doch bei allem Respekt vor Eberts Verdiensten gab es auch kritische Stimmen. Seine größte Errungenschaft sei die Einführung der Schreibmaschine im Parteibüro gewesen, soll ein Genosse einmal missmutig geäußert haben. Mit seiner Vorliebe für Bürokratie und Organisation habe der Politiker zum Schluss die Arbeit der Partei eher gehemmt als gefördert, ist auch die Einschätzung Scherers. Viele Freunde habe sich Ebert durch seine „schroffe Art“ unter den hanseatischen Genossen zudem nicht gemacht.
Friedrich Ebert war im übrigen „Neustädter“. In der Brautstraße/Ecke Westerstraße pachtete er im Mai 1894 die Gaststätte „Zur Guten Hilfe“. Ein passender Name. Denn in den oberen Räumen des Gebäudes errichtete der Sozialdemokrat nämlich eine Art „Sozialberatungsstelle“ für die Arbeiterschaft. Um die Kneipe kümmerte sich seine Frau Luise.
Und die hatte Friedrich Ebert schon kurz nach seiner Ankunft in Bremen kennengelernt. Wie die meisten (Ehe-)Frauen bedeutender Männer stand sie allerdings in seinem Schatten. Schade, schade, schließlich soll Ebert einmal gesagt haben, dass seine Frau genauso gut wie er Reichsoberhaupt hätte werden können. Tanja Vogt
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