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Eine wilde Truppe von zwölf Genossen

■ Von Revolutionären zu Senatoren und Bürgermeistern: Die SPD-Bürgerschaftsfraktion in Bremen feiert 100. Geburtstag

Einen Ruf hatten sie nicht zu verlieren: Die ersten Sozialdemokraten in Bremen. Als Revolutionäre und Umstürzler galten die Genossen in der Neustadt, im Fesenfeld und im Stephani-Viertel. Und mit denen hatte die Gesellschaft in der Bürgerschaft nicht viel am Hut.

Trotzdem: Einige Sozialdemokraten waren in der Bürgerschaft vertreten. Allerdings immer nur ein paar Einzelne, die gegen eine Übermacht von 150 konservativ-bürgerlichen Abgeordneten stritten. Das acht-Klassen-Wahlrecht sortierte in Bremen nach Akademikern, Kaufmännern, Gewerbetreibenden, Landwirten, Vegesackern und Bremerhavenern. „Ein für das Großkapital sehr angenehmes und bequemes Wahlrecht“, erklärt der Historiker Michael Scherer von der Landeszentrale für politische Bildung. Und gegen so viele Kaisertreuen, die ihr Mandat zum Teil „vom Großvater erbten“ und die die Senatoren auf Lebenszeit stellten, konnten die Sozis nicht viel ausrichten, meint Scherer. Am Wahlrecht, das den Status quo erhielt, schon mal gar nicht. Und das galt noch bis 1918.

Man musste sogar zahlen, wenn man wählen wollte: 16 Reichsmark kostete der Bürgereid – ohne den gab es keine Wahl. Und das war ganz schön viel für Arbeiter: „Viele Genossen haben sich wohl lieber einen Mantel für die Kinder gekauft“, schätzt Scherer, so dass die SPD meist mit zwei Abgeordneten vor sich hin dümpelte.

Erst nach den Bürgerschaftswahlen 1899 (Wahl-Slogan: „Programmlos oder sozialdemokratisch“) wurde das ein bisschen anders: 3.278 Bremer wählten die SPD, die „eine große Abrechnung“ versprach. Das reichte für elf Sitze im Parlament. Damit waren die „Roten“ zum ersten Mal eine Fraktion und hatten das Recht, Anträge und Anfragen in der Bürgerschaft zu stellen. Und das taten sie: Fortan kamen soziale Themen auf die Tagesordnung. Zum Beispiel Sicherheit im Hafen, die schlechte Wohnsituation in den Arbeitervierteln, Forderungen nach Mindestlohn, und Umverteilung der Einkommenssteuer. „Eine wilde Truppe von elf Genossen“, urteilt Scherer über die Anfangsjahre.

Aber die meisten Anträge wurden abgelehnt – rigoros und 18 Jahre lang, bis zum Ende des Kaiserreichs. Man habe in den „altbremischen Liberalismus“ noch keine tiefe Bresche gebrochen, schrieb damals die SPD: „Es galt also weiter zu brechen und zu bröckeln.“ Dennoch: Ihre Vorstöße in der Bürgerschaft hatten letztlich nur „agitatorischen Charakter“, meint Scherer. Auch in Deputationen und Kommissionen wurden die Genossen nicht berücksichtigt. Nur wenn die Anträge die „Privilegienherrschaft“ nicht antasteten (zum Beispiel beim „Arbeiternachweis“), gab es Unterstützung von den anderen Delegierten, denen es in erster Linie um Wirtschaft und Außenhandel ging.

Auch in den Bremer Nachrichten fiel kaum ein Wort über die Genossen und die Fraktionssprecher Friedrich Ebert und Wilhelm Pieck. Die soziale Frage zählte beim bürgerlichen Lesepublikum nicht. Die Folge: Die Sozis hatten 1889 ihre eigene Zeitung gegründet: Die linke Bremer Bürger-Zeitung (BBZ), in der später auch Rosa Luxemburg Gastkommentare schrieb.

Die Mehrheit der Sozis in Bremen war links – viel zu links für Friedrich Ebert, der mit den „Streitern in Bremen“ nicht ganz klar kam (siehe unten). Heinrich Schulz, der neue Chefredakteur der BBZ, brachte „Schwung in die Parteiauseinandersetzung“. Gegen den Pragmatismus Eberts, forderte Schulz keine Kompromisse mit dem Kleinbürgertum, statt dessen Klassenbewusstsein, scharfe Agitation und Massenstreiks.

Damit wurden auch die nächsten Wahlen (1902) gewonnen: Diesmal schaffte es die SPD auf 19 Abgeordnete in der Bürgerschaft. Ein Jahr später eroberten die Sozis auch das Reichstagsmandat von den Liberalen: Johann Hinrich Schmalfeldt vertrat nun Bremen im Reichstag.

Und die SPD gewann nicht nur die Wahlen, sondern auch immer mehr Mitglieder. Eine „stürmische Entwicklung“ konnte vor allem der linke Flügel der SPD nach 1900 verzeichnen. Der kooperierende Ebert zog daraus Konsequenzen und ging: Bremen war ihm mittlerweile zu links. pipe/Abb.: SPD

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