„Die CDU hat laufend Gesetze gebrochen“

■ Wegen des nun ungültigen Rechenschaftsberichts 98 verliert die CDU40 Millionen Mark staatlicher Mittel, meint Parteienexperte Martin Morlok

taz: Die CDU Hessens hat zugegeben, Anfang der Achtzigerjahre 7 oder 8 Millionen Mark im Ausland gebracht zu haben – um es, wie Ex-Innenminister Kanther sagte, „vor neugierigen Nachfragen zu verschließen“. Glauben Sie das?

Martin Morlok: In der Tat sollte die Offenlegung vermieden werden – aber das ist ja gerade der Kern des Unrechts, das die hessische CDU begangen hat. Man muss sich aber fragen, warum dieses Geld verborgen bleiben sollte. Wo kommt es wirklich her?

Die CDU hat die Millionen dann häppchenweise als angebliche Vermächtnisse wieder nach Deutschland zurück geholt. Was ist daran schlimm – es waren doch ihre Mittel?

Sie hat, vorausgesetzt, es waren ihre Gelder, erhebliche Vermögensbestände nicht in ihren Rechenschaftsberichten aufgeführt. Sie hat damit gegen das Parteiengesetz und gegen die Verfassung verstoßen, die als Reaktion auf den Flick-Skandal das Offenlegen der Finanzen fordern. Im Übrigen darf eine Partei eigene Gelder selbstverständlich hin- und herschieben – auch aus dem Ausland.

Greift nun die „Strafe“, dass die falschen Vermächtnisse dreifach an die Bundestagsverwaltung zurück erstattet werden müssen?

Nein, es geht jetzt nicht mehr um diese Bestimmung.

Das heißt die „Vermächtnis“-Erklärung, über die sich alle entsetzen, spart der Partei zig Millionen Mark an Strafgeldern?

Im Ergebnis nicht. Stattdessen werden andere Vorschriften wirksam.

Welche sind das?

Die CDU hat für das Jahr 1998 einen Rechenschaftsbericht eingereicht, der offenkundig falsch ist. Am 15. Februar ist wieder eine Abschlagszahlung für alle Parteien fällig. Der Bundestagspräsident darf mangels eines ordnungsgemäßen Rechenschaftsberichts der CDU keine so genannten Zuwendungsmittel überweisen. Das ist eine staatliche Aufstockung der Kleinspenden, die für die CDU etwa 40 Millionen Mark für 1998 beträgt.

Wie viel bekäme sie dann im Februar?

Die nächste Abschlagszahlung wird um 10 Millionen Mark gekürzt werden müssen.

Welche politische Bedeutung hat diese Spendenpraxis?

Das Erste, was die hessische CDU nach der Änderung des Parteien- und des Grundgesesetzes getan hat: Sie hat diese Gesetze gebrochen. Man muss sich vor Augen halten, dass sie die Änderungen zum Anlass genommen hat, im alten Stil fortzufahren – aber mit erhöhter krimineller Energie. Das finde ich schlechthin empörend. Das ist ein politischer Skandal, den man in erster Linie gar nicht juristisch zu beurteilen braucht: Nach der Logik der Verfassung soll sich jeder Bürger ein Bild machen und seine eigenen Sanktionen verhängen.

Was heißt das für die CDU als Organisation?

Es gibt überall schwarze Schafe. Aber diese Partei, die CDU, hat laufend, systematisch organisiert, das Gesetz gebrochen – und das von der Spitze her.

Die CDU war nicht demokratisch?

Es gab einen eklatanten Mangel an Kontrolle und innerparteilicher Verantwortung. Die Leute in den Gremien müssen systematisch weg gesehen haben.

Muss das nicht Konsequenzen haben, etwa, dass die Regeln des Parteiengesetzes strafbewehrt werden.

Weder sonst noch hier ist das Strafrecht das erste Instrument. Es gäbe aber eine sehr empfindliche Sanktion für Berufspolitiker: Man müsste gesetzlich festlegen, dass Politiker, die schwere Rechtsverstöße begehen, das passive Wahlrecht verlieren.

Was folgt daraus?

Wer bestimmte Normen in politischen Ämtern nicht einhält, dem wird auf Zeit die Möglichkeit entzogen, solche Ämter zu bekleiden. In Frankreich hat man damit bereits Erfahrungen gemacht. Aber auch in der Bundesrepublik gibt es das im Gewerberecht als Gewerbeuntersagung und im Sport: Rote Karte!

Interview: Christian Füller