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Ein Sieg über die Langeweile ■ Diepgen bleibt Landesfürst
Schäuble kurz vor dem Rücktritt aus dem Spendensumpf. Ein echter Befreiungschlag hätte es werden können. Doch dann setzen sich die Pragmatiker durch. Denn schlimmer noch als der schwarzgeldbenetzte Nochvorsitzende schien das, was kommen sollte.
Kurt Biedenkopf hatte schon abgesagt, Bernhard Vogel schien zu alt und die ganzen jungwilden Christen noch nicht reif genug: Da stand er plötzlich da wie die perfekte Erfüllung aller ungeträumten Träume: Eberhard Diepgen, von den Bundesbürgern laut Umfrage soeben zum beliebtesten Politiker erkoren, langzeitregierender Lokalfürst mit zumindest aktuell noch weißer Weste und zudem dermaßen mit Kohl überkreuz, dass ihm der Altkanzler nicht mal einen Schwarzschilling aus seinem System herübergeschoben hätte.
Eins war klar: an dem Mann führt kein Weg vorbei. Auch wenn Diepgen selbst gleich dementierte. Das gehört schließlich zu seinem Profil: keins zu haben. Bloß nicht festlegen, bloß nicht anecken. Allenfalls durch Nichtpräsenz. Wenn er sich dann doch mal äußert, glänzt er mit einer sprachlichen Dynamik, die nur noch von Rudolf „laaaangsaaam“ Scharping überboten wird.
Wer von niemandem bemerkt wird, kann auch nicht mit Fehlern auffallen. So wird man beliebt. Bundesweit. Mit dem System Diepgen: Während sein Freund und Strippenzieher Klaus Landowsky der gebeutelten Partei seine Kontakte in die Wirtschaft gespendet hätte, hätte Landespapa Eberhard für gepflegtes Desinteresse gesorgt. Schlagartig hätten die Medien sich von der Spendenaffäre abgewandt. Allerdings auch von der CDU. Irgendwann hätte Ebi dann seine Turnschuhe ausgemottet und Sportlichkeit simulierend die nächsten Wahlen gewonnen. Alles wäre gut geworden. Gut, aber sterbenslangweilig.
Das ging der Bundes-CDU dann aber wohl doch zu weit. Lieber eine saftige Affäre als gar keinen Spaß. Nur so ist zu erklären, warum gleich das ganze CDU-Präsidium die Klamotten hinschmeißen wollte und damit Schäuble zum bleiben zwang. Langeweile in der Bundeshauptstadt wird es weiterhin nur auf Landesebene geben. Gereon Asmuth
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