Soundcheck

Heute: Nigel Kennedy. Das Sprachspiel mit E und U – gemeint ist die ernste und die unterhaltende Musik – ist bekannt, aus U könne E werden und umgekehrt. Und irgendwie, weiß man postmodern Bescheid, haben sich E und U in der Pluralität eh aufgelöst. Dagegen fällt auf, mit welcher Beharrlichkeit die Kulturindustrie selbst an dieser eigentlich nichtssagenden Differenz festhält, beispielsweise in Plattenläden. Hartnäckig sortiert sie nach E und U, gerade um dann die Querulanten, die Grenzüberschreiter vorzuführen. Als Unterhaltungskünstler unteres Mittelmaß, wird etwa der „Ausnahmegeiger“ Nigel Kennedy nun gerade deshalb als seriös bestätigt, weil er sein Publikum auch mit Jimi Hendrix unterhält. Heute abend steht allerdings Bach auf dem Programm: Zusammen mit dem Philharmonischen Bach-Collegium wird er – was sonst? – Violinkonzerte spielen.

Freilich ist – und das seit der spätromantischen Krise der bürgerlichen Kunstmusik – Kennedy nicht die Ausnahme, sondern der angestrebte Regel- und Ernstfall des Kulturbetriebs. Er ist Pop, weil der Pop kategorial schon immer die Ideologie bediente, die das bürgerliche Kunstverständnis definiert: Virtuosität und Persönlichkeit, das Geniale, welches im Star kulminiert. So wird das Bach-Jahr schon zu Beginn auf die Ressentimenthörer zugeschnitten, mit denen zu rechnen ist; „furios“, „unwiderstehlich“, „berauschend“, „stilvoll“ sind die Vokabeln, mit denen eine Groteske dargeboten wird. Mit U soll E bewiesen werden – Bach spielt eine Nebenrolle, und mit Pomp und Show wird die Spannung nivelliert, die überhaupt den geschichtlichen Gehalt und Sinn der E-U-Unterscheidung begründet hat: Bereits Bach war ja E-U-Musiker, seine Brandenburgischenwaren ein Auftragswerk des feudalen Entertainments, sein Ernst war ein ironisches und gotisches Spiel der lebendigen Form. Dabei hätte Kennedy das Vermögen, ebendies ohne Ausnahme einzulösen. Roger Behrens

20 Uhr, Musikhalle