: Die Qual der Diener
Kunden sind psychopathische Monster: Ob im Supermarkt oder an der Servicehotline – überall tummeln sich Choleriker, Paragraphenreiter und Egozentriker. So sieht es zumindest Michael Grandt. In seinem Buch „Alptraum Kunde“ zeichnet der ehemalige Vertriebsleiter eines mittelständischen Unternehmens ein grausiges Bild vom Verkaufsstandort Deutschland.
Weil die Konkurrenz zwischen den Unternehmen immer härter wird, wächst die Bedeutung des Service. Der Kunde gilt längst nicht mehr nur als König, sondern sogar als Kaiser. So verhält er sich dann auch: Alles muss schnell gehen, und wenn etwas nicht passt, wird herumgebrüllt. Die VerkäuferInnen werden als DienerInnen betrachtet, die demütig und stets freundlich die Wünsche der Herrschenden erfüllen müssen.
Kein Wunder also, dass es immer schwieriger wird, qualifiziertes Personal zu finden. Die Fluktuation ist hoch. Außerdem sind die Arbeitszeiten unattraktiv und das Gehalt schlecht. Die Krankheitsquote von VerkäuferInnen liegt deutlich über dem Durchschnitt – viele DienerInnen sind „seelisch zerbrochen“. Auch gemein: Talkshowgäste und Verbraucherschützer hetzen gegen das Verkaufspersonal. Autor Grandt, der selbst lange im Kundendienst für Reklamationen verantwortlich war, hat die Lizenz zum Jammern. Doch durch viele Beispiele wird seine Klage halbwegs nachvollziehbar.
Da wird ein Mitarbeiter als „blöde Flasche“ bezeichnet, ein Verkäufer ewig vollgelabert und eine Kundendienstlerin abgelehnt, weil sie eine Frau ist, der Herr Kunde aber nur mit Männern über Geschäfte spricht. So kommt doch ein bisschen Mitleid für einen geschundenen Berufsstand auf.
Nadine Lange
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