: Atempause im hektischen Bangkok
In Thailands aufgeregter Metropole Ruhe tanken, beispielsweise im Hotel Atlanta
Die lange Sukhumvit-Straße gehört zu den bekanntesten Anlaufpunkten für Bangkok-Reisende und ist beliebteste Wohngegend von Ausländern, die in der thailändischen Hauptstadt arbeiten.
Es ist ein Ort der unbegrenzten Möglichkeiten: An der großen Straße und in den vielen „Sois“, wie die Nebengassen genannt werden, liegen Fünf-Sterne-Hotels neben mittleren Pensionen. Hier drängen sich bescheidene Imbissstände an der Seite erstklassiger internationaler Restaurants, Luxuseinkaufspaläste, kleine Seiden- und Schmuckläden, Reisebüros oder Möbelgeschäfte, die zum Beispiel Rattanbetten und -sofas nach den Wünschen der Kunden bauen und ins Ausland verschicken.
Selten aber liegen wohl Paradies und Hölle so nahe beieinander: Denn die Sukhumvit ist eine ewige Baustelle. Die neue, „Skytrain“ genannte Hochbahn hat den permanenten Verkehrsstau noch schlimmer gemacht, seitdem ihre dicken Betonpfeiler die Fahrbahnen zerteilen. Zur Sommerhitze kommen benebelnder Abgasdunst und ohrenbetäubender Krach von Dreiradtaxis („Tuktuks“), Bussen und Mopeds.
Wer da einen Fluchtpunkt sucht, kann ihn jetzt an einem ungewöhnlichen Ort finden: Im Café des alten „Hotel Atlanta“, ganz am Ende der „Soi 2“, auf der rechten Seite.
Der erste Schritt ins Foyer ist zugleich der erste Schritt auf einer Reise zurück in die Fünfzigerjahre, als dieses Hotel entstand. Globetrotter, Diplomaten und Journalisten waren die Gäste in der ersten Herberge Bangkoks, die einen Swimmingpool hatte. Seitdem blieb die Einrichtung mit ihren Kunstlederstühlen und den 50er-Jahre-Lampen unverändert erhalten, auch in dem alten Reisebüro gleich links, wo der weißhaarige Besitzer heute noch täglich zu finden ist. Sachter Jazz weht durch die Halle, jeden Mittag erklingen vom Band die Kompositionen des thailändischen Königs Bhumiphol, eines leidenschaftlichen Jazz-Saxofonisten. In Vitrinen an den Wänden sind Bücher ausgestellt, deren Autoren einst im Atlanta gewohnt haben, wie stolz ein Schild erklärt.
Im gedämpften Licht des Cafés träumt die Bedienung hinter ihrer alten Kasse. Zeitungen und gebrauchte Bücher in allen möglichen Sprachen liegen bereit, der Milchshake ist gut, die Speisekarte voller Tipps über Sitten und Gebräuche und die thailändische Küche. Wer sich nicht aufraffen kann, wieder in die hektische Welt draußen zurückzukehren – zum Beispiel in die Bars und Biergärten der Soi 4 („Soi Nana“) eine Straße weiter –, bleibt noch zum Videofilm. Jeden Abend um 21 Uhr wird im Café ein anderer Klassiker vorgeführt. Immer wieder kommen die „Die Brücke am Kwai“ , die „Gräfin von Hongkong“ oder auch Hitchcocks „Vertigo“. Danach sind dann auch die letzten Lebensgeister wieder zurückgekehrt.
Jutta Lietsch
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen