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FPÖ auf dem Weg in die Regierung

■ Nach dem Scheitern der großen Koalition scheint in Österreich die Zeit gekommen für ein Regierungsbündnis zwischen der rechten ÖVP und der ganz rechten FPÖ des Jörg Haider

Wien (taz) – In Österreich zeichnet sich die Bildung einer schwarz-blauen Koalition ab, also eines Bündnisses zwischen Wolfgang Schüssels ÖVP und Jörg Haiders FPÖ. Gestern abend wollte das Präsidium der FPÖ formell beschließen, mit der ÖVP Koalitionsverhandlungen aufzunehmen. Zunächst allerdings hat noch immer der bisherige sozialdemokratische Bundeskanzler Viktor Klima vom Bundespräsidenten Thomas Klestil den Auftrag zur Regierungsbildung bekommen. Klima hat gestern auch Gespräche mit den anderen Parteien aufgenommen, um doch noch eine Regierung zustande zu bringen. Aber auch innerhalb der SPÖ mehren sich die Stimmen, die die Partei nach 30 Jahren an der Macht lieber in der Opposition sähen.

Parlamentspräsident Heinz Fischer, gleichzeitig stellvertretender SPÖ-Vorsitzender, ließ überraschend in der Sonntags-Pressestunde des ORF durchblicken, dass seine Partei sich einem Bündnis der zweit- und drittstärksten Partei nicht in den Weg legen würde. Auch der als Hardliner bekannte Klubobmann Peter Kostelka bestätigte später, dass die Sozialdemokraten nicht um jeden Preis an der Macht festhalten wollen.

Innenminister Schlögl (SPÖ) macht sich bereits für einen „offenen und kritischen Dialog mit der FPÖ“ stark. Zwar hat es seit dem Platzen der Koalitionsverhandlungen von SPÖ und ÖVP am vergangenen Freitag noch kein Treffen Wolfgang Schüssels mit Jörg Haider gegeben, doch wurden mehrere Telefonate der Parteichefs bestätigt. Schüssel, so hieß es im Büro der ÖVP, wolle zuerst die Einstellung des Bundespräsidenten ausloten und noch ein Gespräch mit Viktor Klima führen.

In seiner Partei jedenfalls, das zeigten die Reaktionen aus den ÖVP-regierten Bundesländern, hat Schwarz-Blau mehr Rückhalt als Rot-Schwarz. Auf dem EU-Ministerrat in Brüssel ließ sich Außenminister Schüssel vorsichtshalber entschuldigen. Ob Haider sein Angebot, der ÖVP für diese Legislaturperiode den Kanzler zu überlassen, noch aufrecht erhält, ist nicht bekannt.

Viktor Klima ließ derweil ausrichten, die SPÖ strebe eine Minderheitsregierung an und werde nicht freiwillig in die Opposition gehen. Ein erstes Gespräch mit dem Grünen-Chef Alexander van der Bellen ergab erwartungsgemäß, dass die kleinste Fraktion eine SPÖ-Alleinregierung in Sachfragen unterstützen würde.

ÖVP und FPÖ hingegen haben einhellig verkündet, sie wollten den Alleingang Klimas nicht tolerieren. Mit dem ersten Misstrauensantrag würde die Regierung fallen. Damit käme es nicht automatisch zu Neuwahlen: Der Bundespräsident könnte, laut Verfassung, dieselbe Regierung gleich wieder einsetzen. Das Spiel könnte ad infinitum weitergehen – mit erheblichen nicht nur politischen, sondern auch wirtschaftlichen Schäden. Ralf Leonhard

Debatte Seite 12

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