: Was fürs Leben
Vom Mofa hinter Gitter: Wie der Rapper Ferris MC eine Woche blaumachen durfte ■ Von Eberhard Spohd
Ferris MC hat sich entschlossen, eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Haftrichter einzuleiten, der ihn im Dezember acht Tage in Untersuchungshaft schmoren ließ. Darüber hinaus lässt der Hamburger Rapper von seinem Anwalt prüfen, ob er nicht Strafanzeige wegen Freiheitsberaubung stellen soll. Der 26-Jährige war am 15. Dezember mit dem Mofa seines Produzenten und 5-Sterne-Deluxe-Mitglieds Tobitob in eine Allgemeine Verkehrskontrolle geraten. Die kontrollierenden Beamten hatten da-raufhin festgestellt, dass gegen Ferris ein in Bremen ausgestellter Haftbefehl vorlag, und ihn noch am selben Abend in das Untersuchungsgefängnis Holstenwall gebracht.
Am nächsten Tag wurde der Musiker dem Haftrichter vorgeführt. Diesem gegenüber äußerte Ferris die Bitte, er möge sein Management informieren, und gab ihm auch die Telefonnummer. Der Richter sagte zu mit den Worten: „Ich kümmere mich darum, wenn sie jedoch in zwei Stunden nichts von mir hören, werden sie nach Bremen verlegt, da dort der Haftbefehl ausgestellt wurde.“ Weder das eine, noch das andere geschah. Die Verlegung, die für Ferris die Freiheit bedeutet hätte, unterblieb, da die Justizvollzugsbeamten, nach eigenen Angaben „auch einmal Feierabend machen“ wollten.
Statt dessen saß der auch als Fertig MC bekannte Ferris über eine Woche mit seinen neuen Mitbewohnern in einer Sechsmannzelle. Abgesehen davon, dass sie ihn ziemlich schnell einteilten, die Zelle zu fegen und zu schrubben – „Dann lernst du hier wenigstens was fürs Leben“ – zeigten sich die schweren Jungs eher amüsiert von seiner Geschichte. Immerhin erwiesen sie sich als hilfreich und erklärten Ferris, was in seiner Situation zu tun sei. Doch weder wurde ein erneuter Haftprüfungstermin angesetzt, noch bekam er eine Anwaltsliste ausgehändigt, über die er einen Verteidiger hätte beantragen können. „Ich hatte mich schon fast an den Gedanken gewöhnt, dass die Jungs meine Familie über Weihnachten sein würden“, erklärte Ferris.
Sein Management, das den Rapper bereits tot wähnte, hatte in der Zwischenzeit die Krankenhäuser Hamburgs abtelefoniert und bei der Polizei nachgeforscht. Dort wusste man überraschenderweise aber auch nichts vom Verbleib in der U-Haft. Erst als es Ferris nach einer Woche gelang, eine Sozialarbeiterin zu überzeugen, unter der inzwischen bei verschiedenen Stellen - Haftrichter, Knastarzt, Wächtern - angegebenen Telefonnummer anzurufen, kam Bewegung in die Sache.
Sein Manager Jäki Hildisch informierte sofort einen Anwalt. Von diesem erfuhr der Bremer Haftrichter erst über die Verhaftung in Hamburg. Und zeigte sich bestürzt: „Der sollte doch gar nicht verhaftet werden.“ Letztlich ging es nur darum, seine Anschrift festzustellen, da er in Bremen zwar schon abgemeldet, in Hamburg jedoch noch nicht wieder angemeldet war. Ein Blick auf den Mietvertrag, den Ferris hätte vorweisen können, hätte jeden klar werden lassen, wo Ferris wohnt.
Pikant an dem Fall ist: Nur wenige Tage vor seiner Verhaftung war Ferris MC in der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel aufgetreten. Dort muss man am Eingang seinen Pass vorlegen und wird durchsucht. Der Haftbefehl war zu diesem Zeitpunkt längst ausgestellt. Eigentlich hätten ihn die Beamten gleich dabehalten müssen. „Die Schlamperei in Santa Fu ist eine Sache“, erregt sich Ferris Anwalt Jens Schippmann. „Etwas anderes ist es mit der Organisation und Struktur des UG Holstenglacis. Das Königsgehabe der Beamten dort und das unmenschliche Verhalten gegenüber den Häftlingen ist viel schlimmer.“ Immerhin hatte Ferris die ihm zur Last gelegten Taten längst gestanden, und einen festen Wohnsitz hätte er auch nachweisen können, wenn man ihn nur gelassen hätte. Damit schieden beide möglichen Gründe für eine U-Haft, Verdunklungs- oder Fluchtgefahr, aus. „Falls ich jetzt klage, geht es aber nicht um mein Ego, sondern darum, über die Verhältnisse im Knast aufzuklären“, erläutert Ferris seine Motive. „Wenn ich nicht die Plattenfirma gehabt und damit nicht bessere Chancen gehabt hätte wie ein Normalsterblicher, wäre ich bis ins neue Jahr gesessen.“
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