Erziehung amtlich abgeholfenn

Jugendämter verlängern Stopp für ambulante Hilfen zur Erziehung. Träger und Regenbogen sprechen von Rechtsbruch  ■ Von Sandra Wilsdorf

Eigentlich sollte der Stopp ambulanter Hilfen zur Erziehung nur eine Notmaßnahme sein. Die Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung hatte im vergangenen Oktober eine Verfügung erlassen, wonach Erziehungsbeistand, Betreuungshelfer und sozialpädagogische Familienhilfe nur noch in absoluten Ausnahmen bewilligt werden durften und alle laufenden Maßnahmen zu überprüfen waren. Bis Ende 1999 sollte das gelten und das Budget retten, weil die Zahl der ambulanten Hilfen statt bei den veranschlagten 1409 bei 1919 lag.

1999 ist vorbei, die Verfügung gilt noch immer. Lutz Jobs, Bürgerschaftsabgeordneter der Regenbogen-Gruppe weiß, dass die „Steuerungsgruppe Jugendhilfe“ im Amt für Jugend die Verfügung verlängert hat. „Das stimmt nicht, die Lenkungsgruppe kann lediglich Empfehlungen aussprechen, entscheiden müssen die Bezirke“, sagt Herbert Wiedermann, beim Amt für Jugend für die Hilfen für Kinder, Jugendliche und Familien zuständig.

Scheinbar unterschätzt er seine Autorität, denn selbst der Bezirk Wandsbek, der nach Aussagen des Jugendamtsleiters Volker de Vries zahlenmäßig gar nicht so schlecht dastand, hat den Stopp verlängert. „Wir konnten keine Sondersituation schaffen“, begründet de Vries. Altona und Eimsbüttel haben das radikale Sparen ebenfalls verlängert, die Pressesprecherin von Hamburg-Mitte zieht sich auf den Standpunkt zurück, das sei eine „behördeninterne Angelegenheit“.

Die Träger sind entweder verunsichert oder sauer: „Wir warten noch auf Informationen“, sagt Ute Dorczok vom Träger Abendroth-Haus. Seit Oktober würden keine ambulanten Hilfen mehr nachgefragt, „wir mussten allerdings auch keine Maßnahmen abbrechen“. Uwe Mann van Velzen, Pressesprecher vom Rauhen Haus: „Der Verfügungsstopp wurde offenbar um drei Monate verlängert. Es gibt deswegen großen Ärger.“

Thomas Lamm von der Pestalozzi-Stiftung berichtet von zwei Familien, die sich ihr Recht auf eine Hilfe zur Erziehung vor Gericht erstreiten mussten. Und: „Ich weiß von vielen Fällen, in denen pädagogisch irrsinnige Entscheidungen getroffen wurden.“ Die ersten Träger hätten darüberhinaus bereits Mitarbeiter entlassen, andere ständen kurz davor.

Jobs fordert „die bezirklichen Jugendämter und das Amt für Jugend nachdrücklich auf, ihre rechtswidrige Bewilligungspraxis umgehend zu beenden“. Ein von Regenbogen in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten bezeichnet die Verfügung als „eindeutig rechtswidrig“, weil sie behauptet, „es gäbe keinen Rechtsanspruch auf bestimmte Hilfen zur Erziehung“. Dem Gutachten nach aber „haben Leistungsberechtigte durchaus das Recht zwischen Einrichtungen und Diensten verschiedener Träger zu wählen“.