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Nie mehr Hallenhockey

■ Am Wochenende rollt endlich wieder der Ball: Der HSV testet gegen zwei Bundesligisten und in der Regionalliga geht es sogar um Punkte

Sechs lange Wochen ruhte der Ball in den Ligen eins bis drei. Eine lange, für eingefleischte Livefußball-Junkies eine unerträglich lange Zeit, die mit den jahreszeitlichen Ersatzbefriedigungen nur völlig unzureichend zu überbrücken war: Aus lauter Verzweiflung schaute sich da mancher schon einmal eine der zahlreichen Sportarten an, von denen wahrhaft intellektuelle WG-Mitbewohner schwärmen. Doch der diskrete Charme von Basketball und Hallenhockey war einfach zu gediegen. Man hat ihn einfach nicht gespürt.

Stattdessen also zum Hallenfußball. Indes, ein vollwertiger Ersatz für das gewohnte Outdoor-Vergnügen vermag auch die Alsterdorfer Sporthalle nicht zu bieten: Schließlich käme ja auch kein vernünftiger Mensch auf die Idee, irgendwo anders als unter freiem Himmel spazieren zu gehen. Nun aber geht es wieder los – zumindest für AnhängerInnen des Hamburger SV (incl. Amateur-Abteilung) und des SC Norderstedt.

Bereits am Freitag abend (18 Uhr 30, Stadion an der Raa) zeigt sich der Bundesligist beim VFL Pinneberg. Zwei Tage nach dem zu erwartenden Sieg gegen die Kreisstädter wird es dann ernst: In Kropp bei Flensburg duellieren sich die Pagelsdorf-Eleven mit den Bundesligisten aus Wolfsburg und Bremen. Dass der letzte ernstzunehmende Test vor dem eminent wichtigen Heimspiel gegen die Bayern (5. Februar im ausverkauften Volkspark) stattfindet, ist bereits seit letzter Woche klar: Seit acht Tagen schützt eine 7.000 Quadratmeter große Kunststoff-Folie das Geläuf.

Dennoch ist der HSV gut beraten, nicht sein gesamtes Können zu zeigen. Schließlich werden Spielerbeobachter aus Stuttgart und München in der Diaspora erwartet. Gut für die Hanseaten, dass Torwart Hans-Jörg Butt im portugiesischen Trainingslager so oft patzte: Einen „Kultkeeper“ in Normalform würden die Bayern sicherlich eher verpflichten. Auch Mehdi Mahdavikia täte gut daran, sich früh auswechseln zu lassen: Bereits gestern wurde der Iraner in die Weltauswahl berufen, die am 25. April nicht etwa den Jupiter, sondern Bosnien-Herzegowina zum Gegner hat.

Solcherlei Sperenzchen kann sich zwei Spielklassen drunter indes kaum ein Verein erlauben. Schon gar nicht der SC Norderstedt, der ab übermorgen (Nachholspiel gegen Oldenburg, 14 Uhr 30, Ochsenzoller Strasse) zur großen Aufholjagd bläst: Da in der kommenden Saison die Regionalligen Nord und Nordost zusammengelegt werden, berechtigt erst der sechste Platz zum Klassenerhalt. Und auf den haben die Stormarner bereits zwölf Punkte Rückstand. Nicht nur SCN-Trainer Kurt Hesse hofft daher darauf, dass das ruinöse Rennen um die ersten Plätze dazu führt, dass auch noch Platz sieben (acht, neun?) zum Klassenerhalt reichen.

Das könnte dann der Fall sein, wenn der DFB (mindestens) einem der Top-Clubs die Lizenz zur Drittklassigkeit verweigert. Und das ist nicht unwahrscheinlich, denn einige Kandidaten scheinen sich finanziell übernommen zu haben. So hat der SV Wilhelmshaven bereits seit vier Wochen keine Gehälter mehr an seine Spieler bezahlt. Und der VFB Oldenburg hat sogar Konkurs angemeldet.

Dieses Schicksal droht den Amateuren des HSV zwar nicht. Doch dafür stehen sie bereits jetzt als Absteiger fest: Egal, wie das Nachholspiel gegen den VFB Lübeck (Sonntag, 14 Uhr, Hagenbeckstrasse) ausgeht: 29 Punkte Rückstand auf Platz sechs sind nicht mehr aufzuholen.

Echte Livefußballjunkies tangiert das jedoch nicht: Die sportliche Lage relativiert das Vergnügen, bei Minusgraden drittklassige Spiele zu sehen, nur ganz unbeträchtlich. Christoph Ruf

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