: „Überwiegend aus Neuanlagen“
■ Das Öko-Institut bewertet zur Zertifizierung von Strom nur die Eigenschaften des Produkts. So kann auch ein Unternehmen das Label bekommen, wenn es zwar Grünstrom anbietet, aber mit der Atomwirtschaft verbandelt ist
Das Öko-Institut hat im Auftrag der Bremer Energie-Konsens GmbH ein Gütesiegel für Grünen Strom entwickelt, um im Markt der Ökostromanbieter Transparenz zu schaffen. Das erste Label wurde im Dezember an den Ökostrom der Marke „Nahstrom – Naturstrom“ aus Kassel der Städtischen Werke AG in Kassel vergeben. Die taz sprach mit Christof Timpe vom Öko-Institut.
taz: Lassen Sie einen Stromversorger abblitzen, wenn dieser zugleich Atomstrom verkauft?
Christof Timpe: Nein. Unser Produktlabel für Grünen Strom bewertet bewusst nur die Eigenschaften des angebotenen Grünen Stroms. Wenn ein Unternehmen, das auch Atomstrom verkauft, ein gutes grünes Produkt anbietet, dann kann es das Label durchaus bekommen. Selbstverständlich bleibt es den Verbrauchern unbenommen, unter den verschiedenen Anbietern von Grünem Strom diejenigen auszuwählen, die keine Atomkraftwerke betreiben.
Wie gehen Sie vor, wenn ein Versorger das Öko-Label wünscht?
Der Versorger beauftragt einen unabhängigen Gutachter, der alle notwendigen Daten und Informationen zusammenträgt und testiert. Auf der Basis dieses Gutachtens wird das Label für eine bestimmte Strommenge und für einen bestimmten Zeitraum vergeben – in der Regel für ein Jahr. Das alles dauert etwa ein bis zwei Monate. Am Ende des Jahres muss der Gutachter noch einmal im Rückblick bescheinigen, dass die Planungen auch wirklich eingehalten wurden.
Was muss ein Stromversorger für die Zertifizierung bezahlen?
Die Zertifizierung kostet den Versorger einen linearen Satz von wenigen Zehntelpfennig pro Kilowattstunde zertifizierten Grünen Strom. Hinzu kommen die Kosten für den Gutachter.
Was sind Ihre Kriterien?
Unser Label unterscheidet zwei Produktklassen. Zentrales Kriterium ist, dass die klimaschädigenden CO2-Emissionen in der Produktklasse 1 um mindestens 75 Prozent, und in der Klasse 2 um 50 Prozent gegenüber einem modernen Kohlekraftwerk reduziert werden. Dabei zählen nur Neuanlagen als emissionsmindernd. Das bedeutet, dass mindestens drei Viertel beziehungsweise die Hälfte des Stroms aus Neuanlagen kommen muss, die ab 1998 in Betrieb gegangen sind. Die Produktklasse 1 besteht ausschließlich aus Strom aus erneuerbaren Energien, in der Klasse 2 dürfen bis zu 50 Prozent aus Kraft-Wärme-Kopplung kommen. Mindestens 1 Prozent des Stroms muss in beiden Fällen aus Fotovoltaik stammen. Strom aus Atomkraft oder Müllverbrennung ist selbstverständlich ausgeschlossen.
Wird nur der Strom aus neuen Kraftwerken zertifiziert?
Der überwiegende Teil des zertifizierten grünen Angebots muss aus neuen Anlagen stammen. Damit stellt das Label des Öko-Instituts die höchsten Ansprüche an die Umweltqualität des Produkts und schafft eine klare Trennung von Altanlagenprodukten wie zum Beispiel Aquapower vom Bayernwerk, die der Umwelt überhaupt nichts nutzen.
Wie sieht es mit Großanlagen aus, die es speziell bei der Wasserkraft gibt?
Ein praktikables Verfahren zur gesamtheitlichen ökologischen Bewertung von Wasserkraftanlagen gibt es leider bisher nicht. Es ist keineswegs so, dass kleine Anlagen grundsätzlich besser sind als große. Deshalb gibt es beim Öko-Institut keine Größengrenze. Bis ein ökologisches Wasserkraftsiegel verfügbar ist, lassen wir als Neuanlagen nur Laufwasserkraftwerke ohne Staudämme zu.
Werden Sie auch Importstrom zertifizieren, oder ist dort die Kontrolle schwierig?
Der Markt für Grünen Strom steht und fällt mit der Glaubwürdigkeit der Angebote. Derzeit sind aus unserer Sicht noch keine Möglichkeiten gegeben, um bei einem internationalen Handel mit Grünem Strom Betrug wie zum Beispiel den Doppelverkauf mit Sicherheit auszuschließen. Aber wir arbeiten mit europäischen Partnern an Konzepten, um dieses Problem zu lösen.
Es gibt bereits mehrere Öko-Label für Strom. Welchen Vorteil hat Ihres gegenüber anderen?
Das Gütezeichen des Öko-Instituts ist das einzige Label, das eine umfassende Bewertung der ökologischen Eigenschaften der Ökostromprodukte vornimmt und dabei für alle Akteure aus der Energiewirtschaft und für neue Anbieter gleichermaßen zugänglich ist. Das TÜV-Label hat leider keine klaren Anforderungen an den Neubau von Anlagen und kann das Problem der „Doppelvermarktung“ nicht lösen. Die Kriterien des Vereins Grüner Strom Label haben im wesentlichen den gleichen Regelungsgehalt wie die des Öko-Instituts, nur schließt der Label e. V. Anbieter aus, deren unmittelbare Anteilseigner Atomkraftwerke betreiben.
Interview: Bernward Janzing
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