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Farbenblinde Medienwelt

Nach Boykottdrohungen soll die TV-Landschaft in den USA bunter, weil schwarzweißer werden ■ Aus Washington Peter Tautfest

Der regenbogenfarbene Pfauenschwanz ist das Logo von NBC. Mit der Buntheit des größten US-Networks war es bisher allerdings nicht weit her, doch das soll sich ändern. Anfang Januar verkündeten die Fernsehgesellschaften ABC, NBC und der Präsident von Amerikas ältester Bürgerrechtsorganisation NAACP, Kweisi Mfume, einen Aufsehen erregenden Deal: Amerikas Fernsehsender sollen schwarzweiß und damit bunter werden. Sie haben zugesagt, mehr Schwarze zu beschäftigen und damit die weiße Dominanz zu brechen – vor und hinter der Kamera.

Das Abkommen geht auf eine Kampagne zurück, die im vergangenen Sommer begann. Als die großen Netzworks ihre neuen Programme für kommende Saison präsentierten, monierte der NAACP, dass Amerikas Fernsehanstalten blütenweiß sind: Weder in den populären Sendungen und Seifenopern seien schwarze Charaktere zu sehen, noch würden Minoritäten an Programmgestaltung und Produktion beteiligt – ein Verstoß gegen das Rundfunkgesetz von 1934, wonach der Äther ein öffentliches Gut zum Wohle der Allgemeinheit ist. Amerikas Programmgestaltung gleicht dagegen weitestgehend einer geschlossenen Veranstaltung für den weißen Mittelstand.

Mit der NAACP-Kampagne schien sich eine neue Front im Ringen um Bürgerrechte aufzutun: Ansprechpartner sollten nun nicht mehr Gesetzgeber und Regierung, sondern vor allem die Medien sein. Schließlich hat die Unterhaltungsindustrie mehr Einfluss auf das amerikanische Bewusstsein als Regierung und Gesetzgebung. Der NAACP drohte mit einem schwarzen Boykott der Fernsehsender, was zu niedrigeren Einschaltquoten und schlechteren Werbeeinnahmen geführt hätte.

Doch die Verhandlungen zogen sich hin, die angedrohte Einschaltverweigerung wurde mehrfach verschoben.

Der jetzt erreichte Deal mit NBC sorgt zwar auch für mehr schwarze Gesichter auf der Mattscheibe, vor allem aber profitieren jene, die hinter der Kamera stehen: So sagte NBC Praktika, Ausbildungsplätze sowie Stipendien für Minderheiten zu, versprach auch gezielt Manager und Autoren aus solchen Gruppen anzuwerben und bis September 2000 seinem Aufsichtsrat mindestens ein schwarzes Mitglied hinzuzufügen.

Jeder Show, die länger als 12 Monate läuft, soll künftig ein Minderheitenautor beigeordnet werden – schon geht das böse Wort vom Minoritätenkommissar um.

Außerdem sollen die Networks in den nächsten 18 Monaten für zusätzliche 10 Millionen Dollar bei von Minderheiten geführten Produktionsfirmen Programm einkaufen. Daneben will NAACP-Chef Mfume mit dem NBC-Management Seminare für Studioleiter und Produzenten abhalten, auf denen neue Programmideen entwickelt werden sollen. Die zum Disney-Konzern gehörende ABC wird Angestellten aus Minderheitsgruppen einem hochrangigen Mentor zuordnen und allen Angestellten Diversitätstraining anbieten. Vergleichbare Abmachungen mit den Sendern CBS und Fox stehen bevor.

Der Widerspruch zwischen einer vom weißen Mittelstand dominierten Medienlandschaft und einem zusehends diverser werdenden Fernsehpublikum ist notorisch. „Im 21. Jahrhundert stellen sich die USA in ihren Fernsehserien dar, als lebten wir noch im 19. Jahrhundert, als Minoritäten in den USA weitgehend unsichtbar waren“, sagt der Medienkritiker Dany Schechter. „NAACP legte mit seiner Boykottdrohung medienwirksam den Finger in diese Wunde – und der Missstand war den Fernsehgesellschaften echt peinlich“, so Schechter, „deswegen waren sie auch vergleichsweise schnell bereit zu handeln.“

Doch die Kooperationsbereitschaft beseitigt nicht die ökonomischen Bedingungen des unterschwelligen Rassismus in den Rundfunkanstalten: In den USA sehen Schwarze länger fern als Weiße – 70 gegenüber 50 Stunden pro Woche. Schwarze sind aber deutlich häufiger arbeitslos, haben weniger Geld zum Ausgehen und Ausgeben. Sie sitzen also zu Hause vorm Fernsehapparat, sind als Markt für TV-Werbung aber eher uninteressant.

Hinzu kommt ein Problem ganz anderer Art: Minderheiten werden in den amerikanischen Medien stark typisiert. Schwarze erscheinen in erster Linie als Drogenabhängige und -dealer, als Kriminelle und Sozialhilfeempfänger oder kommen bestenfalls als komische Figuren vor. Weiße dagegen spielen Geschäftsleute, Anwälte, Ärzte, Lehrer und Polizisten vor.

Der Angst vor weiterer Stereotypisierung schreiben Programmdirektoren auch ihren Unwillen zu, schwarze Figuren zu entwerfen. Dies scheint nicht ganz unberechtigt: Im Dezember sagte ein Gymnasium in Massachusetts die Aufführung der West Side Story ab, weil Puertoricaner sich in der Darstellung des Musicals verunglimpft sahen. „Die meisten Autoren entstammen nun mal dem weißen Mittelstand und sie beschreiben, was sie am besten kennen – ihre Welt ist farbenblind, weil sie die Welt der anderen nicht sehen,“ sagt Earl Hutchinson, schwarzer Kolumnist und Direktor der Bürgerrechtsgruppe National Alliance for Positive Action. „Bevor sich das nicht ändert, wird der Versuch, die Welt der Schwarzen darzustellen, nur verkrampft sein“.

Der Deal zwischen den Minderheiten-Organisationen und den Networks stößt daher auch nicht auf ungeteilte Zustimmung. Vertreter hispanischer, asiatischer und indianischer Gruppen meldeten Protest an, weil sie weder gefragt noch berücksichtigt wurden.

Und Medienfachleute wie Sig Gissler, Professor für Publizistik an der Columbia University, weisen darauf hin, dass die großen Networks inzwischen selbst nur noch eine untergeordnete Rolle in der TV-Landschaft spielen. Heute bedienen in erster Linie Kabelkanäle das Publikum. Hutchinson kritisiert generell die Anstrengung des NAACP und hat angekündigt, sich nicht an einem TV-Boykott zu beteiligen. Wichtiger als ein paar zusätzliche Stellen für Schwarze bei den Networks seien ganz andere Ziele, meint der Wissenschaftler. So hatten Regierungsbehörden schon 1998 kritisiert, dass „weiße“ Unternehmen zu wenig in „schwarzen“ Medien werben und diese daher im Wettbewerb benachteiligt sind: In nur einem Jahr, von 1997 bis 1998, ging dieZahl der von Minderheiten betriebenen Rundfunkanstalten von 127 auf 100 zurück.

Daran ändere der Deal nichts, kritisiert Hutchinson. Und der Vorschlag, mehr Wellenlängen für kleine Radiostationen zu schaffen, die von Stadtteilgruppen betrieben werden könnten, sei letztlich wichtiger, als Einfluss auf die Gestaltung von Programmen zu nehmen, die sich sowieso nur an weiße Mittelstandskinder richten.

Auch Marc Lloyd von der Koalition „People for Better TV“ findet, dass die Rollenbesetzung bei Seifenopern für das Wohlergehen der Minderheiten von untergeordneter Bedeutung sei: „Was wir wollen, sind lokale Sender, die sich mit Giftmülldeponien, Fabrikschließungen und den sozialen Diensten einer Stadt beschäftigen. Wir wollen besseres Fernsehen, nicht mehr Minoritäten im schlechten überregionalen Fernsehen. Minderheitsquoten in den Fernsehgesellschaften sind ein ‚sexy‘ Thema , an dem sich der inzwischen etwas verschlafene NAACP neu zu profilieren versucht“, kritisert Lloyd.

Etwas Einsicht scheint sich mittlerweile breit zu machen: In der vergangenen Woche wurden 1.000 neue Frequenzen für Kleinstsender freigestellt, die von Bürgerinitiativen, Schulen, Universitäten und Kirchen betrieben werden können.

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