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Dank der „Khakis“ zur Demokratie

Macht das Modell Elfenbeinküste in Westafrika Schule? Oppositionelle in Senegal sehnen sich nach einem Militärputsch

Dakar (taz) – Auf den Straßen von Senegals Hauptstadt Dakar interessiert derzeit nur ein Thema: die Präsidentschaftswahlen Ende Februar. Nach 40 Jahren ununterbrochener Herrschaft der Sozialistischen Partei (PS) hoffen die meisten Senegalesen auf einen politischen Wechsel. Doch kaum jemand glaubt, dass der Gang zur Urne diesen herbeiführen kann. Zu tief sitzt das Misstrauen gegenüber dem Betrugspotenzial der Regierung. Jeder erwartet, dass sich der amtierende Präsident Abdou Diouf auch diesmal wieder, wie schon bei den beiden letzten Wahlen, auf höchst zweifelhafte Weise zum Sieger küren lassen wird. Die oppositionellen Zeitungen sind seit Wochen voll von Betrugsvorwürfen.

So sehen viele Senegalesen in einem Staatsstreich durch die Armee die einzige Chance für eine Veränderung in Richtung Demokratie. „Ich würde mich freuen, wenn es einen Putsch gäbe“, erklärt ein Student. „Der Wechsel ist das Einzige, was zählt.“ Der Geschichtsprofessor Pape Demba Sy sagt: „Wenn kein Wechsel über Wahlen möglich ist, suchen die Leute nach anderen Möglichkeiten des Umschwungs“. Die hoffnungslose Situation in Senegal führe dazu, dass zurzeit eine Änderung in den Köpfen vonstatten gehe. „Die Bevölkerung will die Dinge nicht mehr so weiterlaufen lassen“, meint er. Es drohe eine Explosion der Gewalt.

Vorbild ist der Sturz der Regierung der Elfenbeinküste am Heiligabend 1999 durch General Robert Gueï. Nach vier Monaten politischer Krise übernahm das Militär gewaltlos die Macht. Nun verspricht Guei die Einführung einer funktionierenden Demokratie. Die Putschisten sehen sich als Retter, die das Land vor seiner Selbstzerstörung bewahrt haben.

Auch in Niger, Gambia, Mali und Guinea-Bissau wurden im vergangenen Jahrzehnt ungeliebte Regierungen von der Armee gestürzt. Die Staatsstreiche wurden stets als letzter Ausweg aus einer politischen Krise betrachtet. Senegal, nach der Elfenbeinküste das wichtigste frankophone Land in Westafrika, ist heute das einzige Land der Region, in dem die Khakis noch nie die Macht übernommen haben.

„Der Senegal kann sich nicht der Regel entziehen“, meint der Oppositionspolitiker Landing Savané. Seine Partei ist Mitglied in der „Koalition Wechsel 2000“ (CA 2000). Sie unterstützt die Kandidatur des führenden senegalesischen Oppositionellen Abdoulaye Wade, der bereits zum fünften Mal gegen Präsident Diouf antritt. Dieses Jahr geltenWades Chancen als so gut wie nie zuvor. „Falls es demokratische Wahlen gibt, wird Maître Wade gewinnen. Daran gibt es keinen Zweifel“, sagt Savané. Aber, prognostiziert er: „Es wird gewählt werden, die PS wird betrügen, die Leute werden auf die Straße gehen, und was dann kommt, weiß ich nicht. Jedes Szenario ist denkbar.“

Die politischen Spannungen sind im Vorfeld der Wahlen außerordentlich groß. Am Donnerstag lösten Sicherheitskräfte eine unangemeldete Demonstration von Jugendlichen gegen die Parteilichkeit der Staatsmedien auf und verhafteten vorübergehend einen Abgeordneten von Abdoulaye Wades Partei PDS. Am Vortag hatte die Opposition eine Großveranstaltung gegen befürchteten Wahlbetrug abgehalten; nächsten Mittwoch will sie auf die Straße gehen.

Djibo Kâ, einst Innenminister unter Präsident Diouf und heute ebenfalls oppositioneller Präsidentschaftskandidat, hat gar behauptet, der heutige Innenminister General Lamine Cissé bereite bereits einen Putsch vor. Im allgemeinen verurteile er zwar einen Staatsstreich, so Kâ, doch wenn es notwendig sei, um zur Demokratie zurückzufinden, habe er auch nichts dagegen. Auch die meisten anderen Oppositionspolitiker scheinen seit dem Putsch in der Elfenbeinküste dem Charme des Khaki verfallen zu sein. Landing Savané drückt die allgemeine Stimmung aus: „So oder so, es kann nur besser werden.“

Veronika Eggersglusz

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