Kommentar: Schwäche ist Stärke ■ Niedriger Euro-Kurs hilft europäischer Konjunktur
Der Euro ist schwach, heißt es immer wieder. Doch was heißt schwach?
Der Binnenwert des Euro ist nach wie vor stark; dies spiegelt sich in der niedrigen Inflationsrate wider. Die Schwäche des Euro bezieht sich ausschließlich auf den Außenwert, also auf seinen fallenden Wechselkurs zum Dollar.
Und es ist gut so, dass der Euro derzeit schwach ist und den Zustand der europäischen Konjunktur realistisch abbildet. Der niedrige Wechselkurs drückt aus, dass die EU-Wirtschaft hinter den USA zurückbleibt. Die Vereinigten Staaten befinden sich in einem konjunkturellen Dauerboom: Die Arbeitslosigkeit ist so niedrig, dass Finanzpolitiker sich Sorgen um Lohn- und daraus resultierende Preissteigerungen machen. Um diesen Inflationsängsten entgegenzuwirken, ist die amerikanische Notenbank (Fed) dabei, die Zinsen sukzessive zu erhöhen.
Der europäische Raum dagegen hat sich gerade erst von einer wirtschaftlichen Flaute erholt: Letztes Jahr betrug das Wachstum in Europa etwas mehr als zwei Prozent. In den USA waren es indes fast vier Prozent. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat sich daher – bis auf eine Ausnahme im November 1999 – mit Zinserhöhungen bislang zurückgehalten. Zu Recht: Die gerade wieder anziehende Konjunktur kann jetzt keine geldpolitischen Restriktionen brauchen. Daher sind auch viele Wirtschaftsverbände dafür, dass das Geld vorerst billig bleibt.
Es sind jedoch nicht nur diese konjunkturellen Unterschiede, die die Differenz zwischen Euro und Dollar erklären. Auch die internationalen Finanzmärkte spielen eine Rolle. Sie verstärken den Trend: Das Geld strömt dahin, wo die Zinsen am höchsten sind, also momentan in die USA. Das treibt den Dollar nach oben. Der Euro muss stärker werden, heißt es immer wieder. Doch wem nützt das? Steigt der Euro-Kurs nur kurzfristig durch eine Zinserhöhung, ist das schlecht: Es nützt zwar den Kapitaleignern, die ihr Geld in Euro angelegt haben.
Der Preis wäre jedoch eine Zunahme der Arbeitslosigkeit: Hohe Zinsen dämpfen die Investitionsbereitschaft und wirken sich – via steigender Euro-Kurse – negativ auf die Exporte aus. Nur, wenn ein Kursanstieg auf einem langfristigen Wachstum basiert und nicht auf kurzfristigen Kapitalzuflüssen aus dem Ausland, nützt er auch den Beschäftigten.
Katharina Koufen
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