Heilige Kühe auf die Schlachtbank

Abschaffung des Beamtenstatus und Bezahlung nach Leistung: Hamburgs Wissenschaftssenatorin Krista Sager will den Beruf des Professors gründlich ändern  ■ Von Sandra Wilsdorf

Hochschule ist eigentlich wie Western: Es gibt die Guten und die Bösen. Doch während im Western die Bösen am Ende tot überm Zaun hängen, haben an der Hochschule die Guten viel Arbeit, währemd die Bösen für weniger Arbeit das gleiche Geld bekommen. Denn: Einmal Professor, immer Professor. Und: Bezahlt wird erst dann nach Leistung, wenn man schon die höchste Stufe der C4-Professur erreicht hat. Bei C1- bis C3-Professoren gibt es Gehalt nach Tabelle, egal, ob jemand viele StudentInnen und deren Arbeiten betreut, oder eher seine Zeit darin investiert, möglichst viele Studierende abzuschrecken. Egal, ob er immer forschend sich bemüht oder alle paar Jahre mal einen Fachaufsatz veröffentlicht.

Das deutsche System ist in der Welt einzigartig starr, der Weg des wissenschaftlichen Nachwuchses einzigartig lang. Außerdem steht nach einem Ausbau der Hochschulen in den 70er Jahren in den kommenden fünf bis zehn Jahren ein Generationswechsel in nahezu allen Fachbereichen an. In einigen wird das zu einem dramatischen Mangel an Professoren führen, in anderen wird sich die riesige Nachfrage nach Stellen nur etwas entspannen. „In den Wirtschaftswissenschaften werden etwa 70 Prozent der Professorenstellen frei“, sagt Karl-Werner Hansmann, Sprecher der Unabhängigen HochschullehrerInnen der Universität Hamburg.

Grund und Zeit für etwas Neues: Kultusminister- und auch Hochschulrektorenkonferenz wollen eine Reform des professoralen Berufs. Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn denkt mit einer Expertenkommission schon seit über einem Jahr darüber nach, wie so eine Revolution von oben aussehen könnte. Hamburgs Wissenschaftssenatorin Krista Sager fürchtet allerdings, dass das, was bei dieser Kommission am Ende herauskommt, „nicht weitgehend und mutig genug sein wird“. Sager hat Vorschläge, die den Beruf des Professors hingegen ziemlich gründlich ändern würden. Einig ist sie sich darüber mit dem Leiter des CHE (Centrum für Hochschulentwicklung), Professor Detlef Müller-Böling, und hat mit ihm gemeinsam das Buch „Personalreform für die Wissenschaft“ herausgebracht, in dem sich nationale und internationale Hochschulexperten äußern.

Sager fordert eine leistungsorientiertere Bezahlung von Professoren. Sie will ein fixes Grundgehalt, aufgestockt durch variable Leistungs-, Belastungs- und Funktionszulagen. Das will auch die Kultusminister- und die Hoschulrektorenkonferenz. Allerdings hat sich noch niemand ans Detail getraut: Soll das Grundgehalt niedriger sein als das jetzige Professorengehalt? Dann würden sich wahrscheinlich die, in deren Fachbereichen schon jetzt ein Mangel an akademischem Nachwuchs besteht, gleich für die lukrativeren Jobs in der Wirtschaft entscheiden. Dann gäbe es beispielsweise bald keine Informatiker mehr an der Uni. Oder soll es Zulagen darüber hinaus geben? Das aber würde zusätzliches Geld kosten. „Dazu hat noch niemand konkret etwas gesagt“, sagt Sigrun Nickel, Sprecherin der Hamburger Wissenschaftsbehörde.

„Eine leistungsbezogenere Bezahlung ist ein gutes Ziel, denn Leistung motiviert“, sagt Professor Karl-Werner Hansmann. Funktionen und Belastung seien ja auch nicht schwer zu ermitteln, „wer aber will die Leistung beurteilen? Da wird es viel Streit geben“. Trotzdem setzen die Professoren nicht nur auf Besitzstandswahrung: „Wir haben erkannt, dass wir nicht nur mauern können.“ Hansmann weist allerdings darauf hin, dass es bei C4-Professoren auch jetzt schon Verhandlungsmöglichkeiten gebe. Mit jedem Ruf erhöht sich das Gehalt, und manchmal legt die Behörde auch etwas drauf, wenn sie jemanden halten will. „Die Behörde führt die Verhandlungen nicht umsonst in ihren Räumen.“

Wenn es nach Sager geht, sollen aber noch weitere heilige Kühe auf die Schlachtbank: Professoren sollen keine Beamten sein. Das würde sie flexibler machen und den Wechsel zwischen Hoschule und Praxis einfacher. „Es gibt Studien, nach denen Beamte für den Staat auch langfristig billiger sind, weil er keine Sozialleistungen abführen muss“, kontert Hansmann. Außerdem nähme ein Professor hoheitliche Aufgaben wahr, denn durch seine Entscheidung, einen Studenten dreimal durchfallen zu lassen, würde er auf dessen Leben Einfluss nehmen. „Während man es in der Wirtschaft bei einem anderen Unternehmen versuchen kann, darf der dann nirgendwo mehr studieren.“ Und dass Angestellte flexibler seien, hält er für ein Scheinargument: „Einen wissenschaftlichen Angestellten kann ich nach fünf Jahren auch nicht mehr rausschmeißen. Die Gewerkschaften haben die Strukturen im öffentlichen Dienst doch zementiert.“

Außerdem wünscht die Wissenschaftssenatorin sich Teilzeitprofessuren. Das wäre gut für die Familienplanung und würde Möglichkeiten schaffen, Tätigkeiten inner- und außerhalb der Hochschule besser miteinander zu verknüpfen, also die Durchlässigkeit zwischen Theorie und Praxis verbessern. „Gerade junge Frauen in der Familiengründungsphase gehen dem Wissenschaftsbetrieb häufig verloren. Das könnte durch das Angebot von Teilzeitprofessuren vermieden werden“, erklärt Sager. Zudem dauert es ihr viel zu lange, bis ein junger Wissenschaftler endlich Verantwortung als Professor übernehmen kann: Das geschieht im Durchschnitt erst mit Anfang 40. Deshalb will sie die Habilitation abschaffen, die mit Stipendium mindestens drei, mit einer C1-Stelle an der Hochschule mindestens sechs Jahre dauert, meistens aber länger. Stattdessen soll es Assis-tenzprofessuren geben. Zeitlich befristet, so wie auch die späteren Professorenverträge befristet sein sollten. Für mehr Flexibilität.

Da ist Hansmann dagegen: „Bei unseren Leuten konkurriert die Hochschule mit hochdotierten Stellen in der Wirtschaft. Wenn man ihnen die Beamtenprivilegien wegnimmt, bleibt keiner mehr.“