: Kanzlerbahn: CDU probt den Ausstieg
Geringer Bedarf, Geldmangel, Baustellenmüdigkeit: Auch die CDU-geführte Finanzverwaltung verabschiedet sich vom teueren Prestige-Projekt. U 5 vor dem Aus
Nicht nur beim Transrapid, auch bei der umstrittenen „Kanzlerbahn“ vom Alexanderplatz zum Lehrter Bahnhof zeichnet sich ein Abschied auf Raten ab. Nachdem bereits Bausenator Peter Strieder (SPD) und CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky mehr oder weniger deutlich von dem Projekt abgerückt sind, ertönt jetzt auch aus der CDU-geführten Finanzverwaltung der Ruf nach einem Aus für die 1,3 Milliarden Mark teure U-Bahn. Die neue Linie parallel zur bestehenden S-Bahn habe eher Prestigecharakter, ihr konkreter Nutzen sei dagegen begrenzt, heißt es. Durch die Baustelle werde der gesamte Innenstadtbereich auf unabsehbare Zeit lahmgelegt.
Zwischen dem Reichstagsgebäude und dem Pariser Platz sind die beiden Tunnelröhren, nach der früheren Berliner Parlamentspräsidentin Hanna-Renate Laurien (CDU) und der SPD-Hinterbänklerin Heidrun Meißner benannt, bereits fertig gestellt. Der in Bau befindliche Abschnitt durch das Regierungsviertel kostet 370 Millionen Mark. Davon bezahlt das Land Berlin 70 Millionen Mark, den Rest trägt der Bund. Dieses Geld wäre in den Sand gesetzt, wenn der Senat das Projekt jetzt stoppte. Bundesverkehrsminister Reinhard Klimmt (SPD) hat dem Senat bereits damit gedroht, den Bundesanteil im Falle eines Baustopps zurückzufordern.
Allerdings müssten Bund und Land zusätzlich 1 Milliarde Mark lockermachen, um die Strecke bis zum Alexanderplatz zu verlängern. Wie bei der Magnetschwebebahn zwischen Berlin und Hamburg schwindet auch hier offenbar die Neigung der Politiker, einen weiteren Milliardenbetrag in ein Verkehrsprojekt von zweifelhaftem Nutzen zu investieren.
Ausschlaggebend für den Stimmungsumschwung ist aber trotz der maroden Landesfinanzen weniger das Geld als vielmehr die grassierende Baustellenmüdigkeit in der Hauptstadt. Zwar fiel bereits 1996 die Entscheidung, den größten Teil der Strecke im unterirdischen Schildvortrieb zu bauen, um den Prachtboulevard Unter den Linden nicht aufreißen zu müssen. Doch gerade an der Ecke zur mühsam wiederbelebten Friedrichstraße würde zwei Jahre lang eine gigantische Baugrube für einen Umsteigebahnhof klaffen.
Der CDU-Fraktionsvorsitzende Landowsky, stets mit einem sicheren Gespür für solche Stimmungen ausgestattet, hatte vor zwei Wochen als Alternative zur U-Bahn einen Bus-Shuttle vorgeschlagen. Die U-Bahn, glaubt Landowsky, könne dann ruhig ein oder zwei Jahre später fertig werden.
Das ist für die Union, die das Projekt bislang am vehementesten verfochten hat, ein erstaunliches Abrücken von den ursprünglichen Plänen. Schließlich redet auch U-Bahn-Gegner Strieder davon, den Bau auf einen Zeitraum „hinauszuschieben, wenn es wieder Bedarf dafür gibt“: Er baut der CDU auf diese Weise eine Brücke.
Beschleunigt wurde die Abkehr von dem Prestigeprojekt auch durch ein Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Die Wissenschaftler kamen zu dem Ergebnis, dass der Senat mit weit überhöhten Passagierzahlen argumentiere.
Endgültig werden die Landespolitiker die U-Bahn aber nur dann ins Aus rollen lassen, wenn sich auch der Bund von diesen Argumenten überzeugen lässt. Verkehrsminister Klimmt müsste nicht nur auf Rückforderungen verzichten, sondern auch einer Umleitung der bereits zugesagten Gelder in andere Verkehrsprojekte zustimmen. Ralph Bollmann
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