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Im Nichtraucherparadies ■ Von Ralf Sotscheck
Endlich auf dem Weg ins Nichtraucherparadies: Kalifornien, zwölf Stunden per Direktflug von Dublin entfernt – für die meisten Passagiere eine Tortur, denn die Iren rauchen gerne, und in Irland gibt es bisher kaum Nichtraucherzonen, selbst im Feinkostladen wird gepafft. Nur in den Kinos, die dem Kettenraucher Heinrich Böll in den Fünfzigerjahren so gut gefallen haben, ist das Rauchen inzwischen verboten.
Schon auf der Startbahn werden die ersten nervös. Die Stewardess warnt bereits zum dritten Mal, dass die Toiletten mit Rauchmeldern ausgerüstet sind, sie kennt ihre Pappenheimer. Mein Sitznachbar klebt sich ein weiteres Nikotinpflaster auf den Oberarm und schiebt sich ein Päckchen Nikoretten in den Mund. Es wird ein langer Flug.
Das Leiden hat auch nach der Landung in Los Angeles kein Ende, der Flughafen, ja ganz Kalifornien ist eine Nichtraucherzone. Erstaunlich viele meiner Mitreisenden verschwinden in der Gepäckhalle auf der Toilette. Würde man ihnen einen lebendigen Lachs hinterherwerfen, könnte man ihn im Handumdrehen frisch geräuchert verzehren.
Wer beim Rauchen in öffentlichen Gebäuden, und dazu zählen auch Toiletten, erwischt wird, muss hundert Dollar Strafe zahlen. Die Suchtmenschentrauben auf den Straßen San Fanciscos sind ein lustiger Anblick. Seit dem 1. Januar 1998 sind auch die kalifornischen Kneipen nikotinfreie Zonen, jedenfalls theoretisch, denn niemand ist so hartnäckig beim Aufspüren von Schlupflöchern wie Nikotin-Junkies. Weil das Frischluftgesetz vor allem Angestellte schützen soll, sind Wirtshäuser im Familienbetrieb vom Rauchverbot ausgenommen. Manch Kneipier konstruierte deshalb abenteuerliche Verträge, wodurch plötzlich vom Barkeeper bis zum Reinigungspersonal alle zu Mitinhabern wurden, wenn auch nur mit winzigen Anteilen.
Aber auch ohne Ausnahmegenehmigung ist das Rauchverbot schwer durchzusetzen. In Los Angeles ist dafür die Feuerwehr zuständig, in San Francisco sind es Polizei und Gesundheitsamt. Dort gab es im vorigen Jahr nur fünf Verurteilungen. Die Organisation „Programm für rauchfreie kalifornische Bars“ – wer möchte in einem Club mit solch flottem Namen nicht Mitglied sein? – monierte, dass San Francisco bei trinkenden Rauchern als Geheimtip für unbeschwerte Stunden gelte.
Die Wirte haben lediglich die Pflicht, auf das Rauchverbot hinzuweisen, und das tun sie auch unübersehbar. Im Fiddler's Green zum Beispiel, einem irischen Pub, werden die Getränke auf einer Serviette serviert, die mit dem Aufdruck „rauchfreie Zone“ versehen ist. Auf jedem Tisch steht allerdings auch ein Aschenbecher.
In der Telephone Booth, einer schmuddeligen Kneipe in der Van Ness Street Ecke 25. Straße, gibt es dagegen keine Aschenbecher. An der Eingangstür weist ein riesiges Schild auf das Rauchverbot hin. Als mein Tischnachbar sich dennoch eine Kippe anzündet, schiebt ihm der Barkeeper wortlos eine leere Dose englischer Pfefferminzdrops hin. Es gibt Dutzende solcher Dosen für die gesetzesbrechenden Gäste hinter dem Tresen. Niemand zuckt mit der Wimper, als ich mir im Nichtraucherparadies schließlich eine Havanna anzünde.
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