: „Ich bin hochzufrieden“
Gesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) über das Biosafety-Protokoll von Montreal
taz: Frau Fischer, sind Sie zufrieden aus Montreal zurückgekehrt?
Andrea Fischer: Nach den Erfahrungen der letzten Verhandlungen in Cartagena hatte ich kaum noch auf einen Kompromiss zu hoffen gewagt. Nun ist er geschafft, das ist gut. Sicher hätte der ein oder andere Punkt schärfer formuliert werden können, aber zu einem Kompromiss unter 140 Ländern gehört, dass man nicht mit der maximalen Position durchkommt. Ich bin hochzufrieden, dass wir als EU das Vorsorgeprinzip durchsetzen konnten, denn das war sehr umstritten. Künftig reicht ein hinreichend begründeter Verdacht auf die Schädlichkeit eines Produktes aus, um zu sagen, wir wollen das nicht haben.
Bisher konnte sich die WTO mit ihrem Willen immer durchsetzen. Geht das immer noch?
Nein, das geht nicht. Wenn ein Land sich unter Berufung auf das Protokoll etwa sagt, sie wollen bestimmte Lebensmittel nicht ins Land lassen, dann kann man das nicht unter Berufung auf Freihandelsregeln erzwingen. Vielmehr wird das gegeneinander abzuwägen sein, und dabei hat das Protokoll eine sehr hohe und verbindliche Bedeutung. Diese Einigung zeigt, dass es möglich ist, Standards zu setzen für den internationalen Handel, die sich am Umwelt- und Verbaucherschutz orientieren. Der Freihandel ist also nicht das allein gültige Prinzip, mit dem wir in der Welt miteinander umgehen. Das ist der politische Gewinn, der über das Protokoll hinausweist.
Erstmals hat die WTO mit dem Biosafety-Protokoll ein Umweltabkommen als gleichwertig anerkannt. Werden weitere Übereinkünfte folgen?
Zumindest ist es eine Ermutigung dafür, es an weiteren Punkten zu probieren. Ich glaube, dass die Seattle-Erfahrung auch dazu beigetragen hat, dass es diesmal was geworden ist. Diejenigen, die in Seattle noch Abkommen verweigert haben, haben gesehen, dass sie das zu Hause politisch nicht mehr vermitteln können.
Sieben Jahre lang haben die USA es immer wieder geschafft, eine Einigung das Biosafety-Protokoll zu verhindern. Warum dieses Mal nicht?
Der Erfolg hat ja viele Väter, wie man sagt. Der Druck der EU alleine hätte nicht gereicht. Dazu gehört, dass sich in Kanada und den USA die öffentliche Meinung zur Gentechnik gewandelt hat. Dann hat der kolumbianische Umweltminister eine diplomatische Meisterleistung vollbracht. Und es war die Einigkeit und Entschiedenheit in der EU: Es ging einerseits darum, Standards, die für uns gelten, auch international möglich zu machen. Aber wir mussten auch verhindern, dass unsere strengen Regeln künftig in Gefahr geraten.
Länder, die zum Beispiel keine genmanipulierten Lebensmittel mehr importieren möchten, brauchen das in Zukunft also nur noch mitzuteilen?
Ja, das ist ein Punkt. Davor muss das Protokoll aber auch noch unterzeichnet und ratifiziert werden, das dauert immer seine Zeit. Die internationalen Mühlen mahlen bekanntlich langsam. Dann müssen die Entwicklungsländer, um die es ja besonders geht, erst einmal die wissenschaftlichen Institutionen einrichten, auf die sie sich dann berufen können, wenn sie etwas ablehnen wollen. Das braucht ebenfalls Zeit.
Interview: M. Rademaker
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