■ Kommentar:
Zurück auf Los ■ Innensenator Werthebach spielt mit der Verfassung
Die Gewaltenteilung unserer Verfassung unterliegt dem Ewigkeitsgrundsatz, geregelt in Artikel 97 Absatz 3 des Grundgesetzes. Diese Kleinigkeit hat der ehemalige Bundesverfassungsschutzpräsident und jetzige Hüter der Verfassung in Berlin, Innensenator Eckart Werthebach (CDU), offensichtlich übersehen.
Werthebach rüttelt an der Verfassung. Sein erneuter Vorstoß, die Richter zu einer restriktiveren Verbotspraxis bei Demonstrationen zu drängen, kratzt an der Unabhängigkeit der Justiz. In Artikel 20 GG ist die Gewaltenteilung formuliert. Unmissverständlich heißt es: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“ Im Klartext: Regierung und Justiz sind getrennte Einrichtungen. Wer immer noch zweifelt, könnte in Artikel 97 GG nachlesen: „Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen.“
Der Innensenator hat sich offensichtlich verrannt und bewegt sich dabei auf immer heiklerem Terrain. Er will missliebige Demonstrationen aus seiner Metropole verbannen, zumindest aus dem Zentrum derselben. Und dafür ist ihm offensichtlich jedes Mittel recht. Denn es ist bereits der zweite Versuch, in Bezug auf das Demonstrationsrecht das Grundgesetz zu strapazieren.
Zuerst wurden die Möglichkeiten geprüft, das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit auf der Ebene der Ausführungsgesetze einzuschränken. Dafür, so viel ist inzwischen auch in der Klosterstraße klar, bestehen kaum Aussichten auf Erfolg. Deshalb jetzt der nächste Vorstoß, der ein anderes Element der Verfassung berührt, die Gewaltenteilung. Bereits Ende vergangenen Jahres haben die Berliner Richter dem Innensenator vernünftigerweise eine eindeutige Abfuhr erteilt: Sie ließen sich nicht von politischer Seite unter Druck setzen.
Auch das Bestreben der Rechtsextremen, die Hauptstadt zum Aufmarschgebiet zu erklären, rechtfertigt nicht die Missachtung von Verfassungsgrundsätzen. Mit seinem Ansinnen dient Werthebach nicht dem Schutz der Verfassung, sondern dem Gegenteil.
Barbara Junge
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