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Arbeitskampf im World Wide Web

Weil der Invensys-Konzern den Stuttgarter Maschinenbaubetrieb Eckardt kaputtsparen will, demonstriert das Personal vor der Börse und im Internet. „Jetzt schlägt die Anarchie des Netzes zurück“ ■ Von Hannes Koch

Berlin (taz) – Mit modernen Methoden will sich die Belegschaft der Stuttgarter Maschinenbaufirma Eckardt gegen die drohende Abwicklung ihres Betriebes wehren. Um die letzten 200 von ehemals 1.200 Stellen zu retten, versucht der Betriebsrat die Unternehmensleitung an zwei empfindlichen Stellen zu treffen: Heute findet eine Kundgebung vor der Stuttgarter Börse statt, um die Aktie des Unternehmens bei den HändlerInnen in Verruf zu bringen. Außerdem wird geplant, an einem Tag die betriebsinterne Kommunikation mit elektronischer Post (E-Mail) zu blockieren.

Eckardt gehört zu dem 1999 gegründeten Konzern Invensys (London). Die Gruppe mit weltweit rund 100.000 Beschäftigten und einem Umsatz von rund 22 Milliarden Mark (Geschäftsjahr 1998/99) will globaler Markführer für Automatisierungs- und Kontrolltechnik werden. In Deutschland wurde etwa die Regeltechnik für die Ölraffinerie in Leuna von Invensys gebaut – Eckardt stellt entsprechende Messinstrumente her. Invensys plant, in nächster Zeit bis zu 11.500 Stellen zu streichen. Der Vorsitzende des Eckardt-Betriebsrats, Martin Schwarz-Kocher, befürchtet, dass auch in Stuttgart 100 oder gar alle Jobs verschwinden sollen.

Deshalb demonstriert die Belegschaft heute vor der Stuttgarter Börse. Dort wollen die Beschäftigten selbstgefertigte „Humankapital-Aktien“ vorstellen, von denen die Börsen-HändlerInnen jeweils eine im Tausch gegen fünf reale Invensys-Aktien erhalten würden. Sollten die DemonstrantInnen in den Besitz von Anteilen kommen, will man sie auf der Straße vor der Börse in einen „Papierschredder stecken“, wie Schwarz-Kocher sagt. Er rechnet aber nicht damit, dass irgendwer tatsächlich Aktien tauscht.

„Die Kundgebung richtet sich an die Analysten“, so Betriebsrat Schwarz-Kocher. Den professionellen Beobachtern bei Aktienfonds und Banken wolle man klarmachen, dass Invensys „eine Vernichtung von Humankapital“ betreibe. Die Firma in Stuttgart werde seit Jahren lausig geführt. Schwarz-Kocher: „Wir hatten in sechs Jahren sieben Geschäftsführer.“ Wenn Invensys den Betrieb schließe, könnten die hiesigen Kunden nicht mehr betreut werden, argumentiert auch die Industriegewerkschaft Metall. Derartige Hinweise an die BörsenhändlerInnen, so die hochfliegende Hoffnung der Belegschaft, könnten den Kurs der Invensys-Aktie unter Druck setzen und damit Eindruck auf den Londoner Konzernvorstand machen.

Indem an einem Tag Tausende elektronischer Briefe an Invensys verschickt werden, will man außerdem die E-Mail-Briefkästen des Vorstandes blockieren. Die gesamte konzerninterne Kommunikation laufe inzwischen über E-Mail, heißt es. Und viele Produkte würden per E-Commerce verkauft. „Der Konzern stützt sich auf das anarchistische Datennetz“, sagt Schwarz-Kocher. „Nun schlägt die Anarchie zurück.“

Besonders ärgert den Betriebsrat, dass sich die Konzernleitung nicht an die Vereinbarung vom vergangenen Jahr über die Stellensicherung halte – obwohl es der Firma Eckardt gelungen sei, das Defizit verabredungsgemäß auf rund zwölf Millionen Mark zu verringern. Die Geschäftsführung war gestern nicht zu erreichen.

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