: Lemkes Kundschaft fühlt sich vergessen
■ Die Grundschulwerkstatt an der Uni wollte Bildungssenator Lemke zu seiner Politik befragen – die Antworten allerdings waren mager und abgenutzt, die Studis danach ernüchtert
Auf den ersten Blick erntete Willi Lemke artigen Applaus und Blumen. In Wirklichkeit aber blieb den rund 60 Lehramtsstudis der Frust im Hals stecken: Anderthalb Stunden hatte sich der SPD-Bildungssenator ihren Fragen gestellt – aber vieles unbeantwortet gelassen.
Um sicher zu gehen, dass Lemke Stellung nimmt zu bildungspolitischen Brennpunkten, hatte die Grundschulwerkstatt ein gutes Dutzend Fragen per Fax schon vorab zur Behörde geschickt: Wie sieht Lemkes bildungspolitische Vision aus? Und: Wie wird sich Schule entwickeln, was müssen StudentInnen dafür lernen? Genutzt hatte das nichts. „Auf unsere Probleme ist er gar nicht eingegangen“, empörte sich Sandra anschließend. Stattdessen sei es bei Lemkes „Lieblingsthemen“ Neue Medien in der Schule geblieben.
Aus dem geplanten Vortrag von Lemke wurde schnell eine Diskussionsrunde, in der Lemke viel von seiner „Kundschaft“, den Schülern, sprach. „Aber wir sind doch auch seine Kundschaft“, ärgert sich eine Studentin. Und ums Thema Studium und Förderungen von neuen Projekten wie der Grundschulwerkstatt ging es nur am Rande.
Knackpunkt waren dagegen vor allem die Praxislehrer: Die ehemaligen Lehrer helfen den Studis an der Uni bei der Unterrichtsplanung. Aber die will Lemke zurück in den Schuldienst holen – „so einen Luxus können wir uns nicht leisten“, meint Lemke. „Aber für unsere Ausbildung sind die Praxislehrer total wichtig“, schimpfen die Studierenden. Die ersten mussten schon zum 1. Februar gehen. Weitere werden folgen.
Ernüchternd fanden die Studierenden vor allem ihre Zukunftsaussichten. „Das ist mir echt aufgestoßen“, findet Dorit. Noch sitzen im Durchschnitt 22 kids vor ihnen in der Klasse. Die Regel liegt bei 27, und an die wird sich der Klassensatz immer weiter angleichen, erklärt Lemke. Die Verhältnisse an den Schulen würden dagegen immer schwieriger, da sei eine Erhöhung kontraproduktiv, so eine Professorin. Lemkes Forderungen: „Die kids fit für die Zukunft zu machen“, ließe sich so nicht umsetzen. Statt auf fachliche Kompetenz müsste schon beim Studium mehr Wert auf die Vermittlung sozialer Kompetenzen gelegt werden, wollen die Studierenden.
Auch beim Thema Mitarbeitermotivation gingen die Ansichten des Senators und der Studierenden auseinander. Der Altersdurchschnitt an den Schulen sei viel zu hoch: Ein junger Lehrer habe ein ganzes altes Kollegium aufgefrischt, bringt Lemke ein Positivbeispiel aus Bremerhaven. „Aber die Realität sieht meist anders aus“, meinen die Studis. Erreichen könne einer in einem überalterten Kollegium kaum etwas.
Lemkes nächstes Positivbeispiel: 29 junge Lehrer konnte er kürzlich einstellen. Keiner davon für die Primarstufe, aber fünf Sekundarstufenlehrer, die für die Grundschule abgeordnet wurden. Das sehen die zukünftigen Grundschullehrer anders: Qualifizierter Unterricht sei so in der Grundschule nicht möglich. Nach guten Aussichten auf einen Job klinge das derzeit nicht.
Einmal wurde Lemke richtig böse: Da hatte eine Studentin vorgeschlagen, dass die Politik mehr Geld in die Bildung investieren sollte, anstatt alles zusammen zu- sparen. Das fand zwar Unterstützung bei den Kommilitonen. Aber nicht bei Lemke. Der konterte mit einer Retour-Kutsche: Sie solle doch bitte nachweisen, wo gespart würde. Denn gerade in diesem Jahr hätte die Bildungsbehörde mehr Geld als sonst zur Verfügung.
Schlussendlich versprach Lemke wiederzukommen, vielleicht in einem halben Jahr. „Dann müssen wir die anderen Probleme klären“, fordern die Studis. pipe
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