piwik no script img

Erlösen und befreien will er, nicht regieren

■ Jörg Haider, Österreichs selbst ernannter Anwalt der kleinen Leute, verhilft seinen umzingelten Landsleuten derzeit zu einem unverhofftenWir-Gefühl. Das eigentliche Haider-Problem sind die Haider-Wähler: Sie sprechen aus, was der Chef der Freiheitlichen Partei denkt, nicht umgekehrt

„Draußen“, sagen die Österreicher, wenn sie die Welt um sie herum meinen. Draußen sind die anderen, drinnen sind sie selbst. Draußen ist es kalt, drinnen ist es gemütlich warm. Dafür sorgt in diesen Tagen Jörg Haider, der seinen umzingelten Landsleuten zu einem unverhofften Wir-Gefühl verhalf. Von „denen da draußen“ wollen sich viele Österreicher nämlich nicht sagen lassen, ob sie Jörg Haider und seine Freiheitliche Partei (FPÖ) mit im Regierungsboot sitzen lassen sollen.

Je lauter die Protestnoten in Europa werden, desto wohler fühlt sich der 50-Jährige mit der Berufsbezeichnung „Populist“. So hat man ihn international lange nicht mehr beachtet – nur vielleicht einmal kurz im Juni 1991, als er im Landesparlament von Klagenfurt den Nazionalsozialisten „eine ordentliche Beschäftigungspolitik“ bescheinigte. Da gingen die Wogen hoch und Jörg Haider schließlich in die Knie: Er dankte als Landeshauptmann ab.

1999 kam er in gleicher Funktion zurück. Kärnten ist Haiders Stammland, dort gehört ihm ein ganzes Tal: das Bärental. Den riesigen Grundbesitz hat er von einem Onkel geerbt. Der wiederum hatte ihn in den Dreißigerjahren sehr, sehr günstig von fliehenden Juden kaufen können. War aber alles legal.

In Kärnten gibt es keinen Herrn Dr. Haider, die Leute kennen nur den „Jörgl“. Und der duzt sich mit allen. So auch am vergangenen Wochenende, als Haider auf seinem Hausberg, der „Gerlitze“, seinen 50. Geburtstag feierte. 3.000 Liftkarten hatte er zuvor an seine Fans verteilen lassen und war dann mediengerecht zur Mittagsstunde mit dem Helikopter über der jubelnden Menge auf dem Berggipfel eingeschwebt.

Haider versteht sich auf die Selbstinszenierung. Er schnallt die Skier an – und alle hinterher. „Ich verstehe nicht“, sagt seine Frau, „die Claudia“, als sie einmal auf der Piste eine kurze Verschnaufpause macht, „warum man ihm immer diesen einen Satz vorhält, für den er sich doch ausdrücklich entschuldigt hat.“ Nie würde ihm ein Satz, wie der von der „positiven Beschäftigungspolitik“ wieder über die Lippen kommen. Jedenfalls noch nicht.

Was er zu sagen hat, erledigen inzwischen seine Wähler. „Die sollen doch draußen nach ihrem eigenen Dreck schauen“, sagt der bärtige Sepp Sonnleitner, der rotglühend vor Jagertee und bulliger Wärme drinnen am Tresen der Bärenhütte steht. Die Haider-Wähler sind das eigentliche Haider-Problem. Sie sprechen aus, was der FPÖ-Chef denkt, nicht umgekehrt. „Es muss endlich Schluss sein“, sagt Sepp Sonnleitner, und seine Begleiterin in der Bärenhütte nickt. „Wir wollen nicht alle Ausländer ausrotten, aber es muss Schluss sein.“

Das ganze nannte sich die „Jörg-Snow-Show“. Wer das alles bezahlte? Da wollte FPÖ-Parteisekretär Petric nur soviel sagen: „Freunde“. Kostenlose Liftkarten, Freibier, Hubschrauberflüge, Musikbands, Pferdeschlitten, Kunstskispringer, Feuerwerk und und und. Da kann selbst der deutsche Bundespräsident Rau nur neidisch nach Österreich schauen.

Haider, selbst ernannter Anwalt der kleinen Leute, hat finanzkräftige Helfer im Rücken, wie Thomas Prinzhorn, einen Papierfabrikanten, der Millionen von Schilling in den Wahlkampf pumpte. Prinzhorn, einer der FPÖ-Verhandlungsführer in den Koalitionsgesprächen mit der ÖVP, zog im vergangenen Herbst Seite an Seite mit Haider wahlkämpfend durchs Land und malte das Bild von der Alpenfestung Österreich. Man werde Österreich „erlösen“, tönte Haider, erlösen von der Asylantenflut, von Kinderschändern und dem ganzen korrupten System der „Altparteien“.

„Wir sind die PLO Österreichs, die Befreiungsbewegung Österreichs“, hat Haider einmal verkündet. Erlösen und befreien will er, nicht regieren. „Jeder albanische Asylant bekommt 12.000 Schilling (ca. 1.700 Mark) Sozialhilfe im Monat, und in den Gefängnissen dürfen die Gefangenen zwischen fünf Menüs auswählen!“, schreit Haider, wenn er sich nur vor seinesgleichen weiß. „Die leben besser als unsere Pensionisten!“ SS-Veteranen schmeichelte er im September 1995: „Wir geben Geld für arbeitsscheues Gesindel aus, aber für anständige Menschen haben wir nichts!“ Heute möchte er an solche Äußerungen nicht mehr erinnert werden, sie seien „unsensibel und missverständlich“ gewesen. Es muss ihm schwerfallen, sich in Zeiten wie diesen mit Worten zu zügeln.

Ausgerechnet in der Österreich-Hütte während seiner öffentlichen Geburtstagsparty am vergangenen Wochenende geriet er dann wieder kurzzeitig außer Selbstkontrolle. Nannte den französischen Staatspräsidenten Chirac einen Versager, der in seinem Leben „alles falsch“ gemacht habe, und bezeichnete die belgische Regierung als eine „korrupte“ Bande, die mit „Kinderschändern“ unter einer Decke stecke. Am nächsten Tag tat es ihm dann wieder leid. Philipp Maußhardt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen