piwik no script img

Zentralbankchefs ziehen die Bremse

In den USA und in der EU wurden die Leitzinsen um 0,25 Prozent erhöht. Gründe: US-Boom und schwächelnder Euro

Hamburg (taz) – Der Dollar setzt seinen Konkurrenten, den Euro, immer stärker unter Druck. Gestern konterte die Europäische Zentralbank (EZB) auf die erneute Zinserhöhung in den USA: Sie setzte ihrerseits die Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte auf 3,25 Prozent herauf. Die US-Notenbank Fed hatte am Mittwoch erwartungsgemäß ihren wichtigsten Zins angehoben – ebenfalls um ein viertel Prozent. Mit nun 5,75 Prozent erreichten damit die Leitzinsen in den USA den höchsten Stand seit mehr als vier Jahren. Dank der hohen Zinsen kann der Dollar weiterhin die internationalen Kapitalmärkte in den Schatten stellen und schwächt den Euro.

Wie EZB-Chef Wim Duisenberg steht auch sein amerikanischer Kollege Alan Greenspan vor widersprüchlichen Problemen: Die US-Konjunktur kann nicht ewig boomen, und der private Konsum basiert auf dem Kursrausch an der Wallstreet. Der wird durch die Zinserhöhung gebremst. Eine Übersättigung des Kapitalmarkts kann zudem zu Spekulationsblasen führen, wenn das Kapital nur noch aus spekulativen Gründen angelegt wird. Auf der anderen Seite wird der Dollar nun möglicherweise noch weiter steigen und der amerikanischen Exportwirtschaft schaden, denn Ware aus den USA wird immer teurer.

Von einer derartigen konjunkturellen Überhitzung ist der EU-Wirtschaftsraum noch weit entfernt. Duisenberg muss einen ganz anderen Spagat schaffen: Auf der einen Seite hat sich die Konjunktur gerade erst wieder belebt – was gegen höhere Zinsen spricht. Auf der anderen Seite verliert der Euro immer mehr gegenüber dem Dollar. Neben diesem Argument führt die EZB die steigenden Preise zur Begründung der Zinserhöhung an.

Deutsche Bank und die Bankgesellschaft Berlin hatten zuvor tagelang für einen großen Sprung geworben: Die Leitzinsen sollten nicht nur um 0,25, sondern gleich um 0,5 Prozentpunkte angehoben werden. Fliehen vor Inflationsgefahr und Währungsverfall könne Euroland nicht mit kleinen Trippelschritten, sondern nur mit einem weiten Zinssatz. Der blieb jetzt aus.

Aber selbst Trippelschritte könnten zu weit führen, fürchten hingegen Konjunkturexperten. Den überhohen Zinsen in den USA ist durch kräftige Euro-Zinsen ohnehin nicht mehr beizukommen. In der Vergangenheit hatte die Bundesbank durch ihre einseitige Fixierung auf die Preisstabilität öfter den Wirtschaftsaufschwung durch ansteigende Zinsen abgebremst. Dabei ging die Bundesbank davon aus, dass hohe Zinsen die Geldnachfrage von Wirtschaft und Konsumenten senken. Dadurch reduziert sich die Geldmenge, die sich im Umlauf befindet. Die EZB setzt nun offensichtlich auf eine Zwei-Säulen-Strategie: Neben dem von der Bundesbank favorisierten Geldmengenziel scheint nun verstäkrt auch der Inflationsverlauf eine Rolle zu spielen.

Wilhelm Hankel, der vor dem Europäischen Gerichtshof gegen den Euro geklagt hat, sieht die Inflationsgefahr noch drastischer: „Ich warne vor einer Vermögensinflation“, sagt der Frankfurter Ökonom der taz. Die Spekulation der Finanzanleger nähre die Inflationsgefahr. Die Preise für bestimmte Güter wie Immobilien würden sich immer mehr von ihrem realen Wert entfernen. Daher müssten die Zinsen wegen der Inflationsgefahr angehoben werden.

Zumindest hierzulande werden die Inflationsängste traditionell stark übertrieben. Dieses Mal sind es nämlich vor allem Ölpreis und überschwappende Aktienkurse, welche den aktuellen Preisanstieg von etwa 1,7 Prozent begründen. Einen Anstieg bis 2,0 Prozent hält jedoch sogar die EZB für verträglich. Alternativökonom Hickel kritisiert jetzt das Schwanken der EZB: „Wir brauchen eine Politik der ruhigen Hand.“ Die gerade gestartete Konjunktur hätte billige Kredite benötigt und keine Zinserhöhung. Mitglieder der rot-grünen Regierung äußerten sich ähnlich. Hermannus Pfeiffer

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen